Aktuelle Neurologie 2009; 36 - V221
DOI: 10.1055/s-0029-1238416

Relevanz fronto-parietaler Circuits für die Erholung sprachlich-produktiver Leistungen bei Aphasie

A Baumgärtner 1
  • 1Hamburg

Hintergrund: Die Fähigkeit, nachzusprechen, gilt als Hauptindikator für intakte sprachlich-produktive Leistungen. Häufig ist bei Aphasie das Nachsprechen im Vergleich zu anderen Sprachfunktionen, z.B. dem auditiven Sprachverständnis, herausragend gestört. Funktionell lässt sich Nachsprechen beschreiben als einen Prozess, der nach der primär perzeptiven Enkodierung das mapping auf akustische templates, die auditorisch-motorische Umwandlung, und die sprechmotorische Planung umfasst.

Neuere funktionelle und strukturelle Bildgebungsstudien legen nahe, dass Nachsprechen über Strukturen des sogenannten ‘dorsalen Stroms' in der Sprachverarbeitung verläuft, einem subkortikalen Faserstrang, der temporo-parietale mit frontalen Regionen verbindet. Bisher liegen wenige Daten zur Lokalisation der verschiedenen Komponenten des dorsalen Stroms und zur Funktionsrestitution sprachlich-produktiver Leistungen nach Schädigung einzelner Komponenten vor. Zudem ist bisher noch wenig untersucht, welche Beziehung zwischen sprachlich-produktiven Leistungen und verbalem Arbeitsgedächtnis (AG) besteht, und inwieweit diese Beziehung relevant für die sprachliche Funktionsrestitution ist.

Methoden: Der Verlauf der sprachlichen recovery wurde für vier Patienten mit herausragenden Nachsprechstörungen (zwei Patienten mit einem temporo-parietalen bzw perisylvischen, drei mit [fronto]parietalen Infarkten) mithilfe longitudinaler Verhaltensdaten und struktureller Bildgebung verfolgt.

Ergebnisse: Abhängig vom Läsionsort zeigten sich tendentiell unterschiedliche Verläufe. Während die Patienten mit (fronto)parietalen Infarkten eine relativ geringere Störung des verbalen Arbeitsgedächtnisses und eine Verbesserung der Nachsprechleistung zeigten, waren die beiden Patienten mit temporo-parietalen bzw. perisylvischen Infarkten sowohl in der Nachsprechleistung als auch im Grad ihrer Arbeitsgedächtnisstörung deutlich beeinträchtigt und zeigten im subakuten Stadium im Verlauf von 6–7 Monaten keine signifikanten Verbesserungen des Nachsprechens.

Schlussfolgerungen: Das sprachlich-produktive Restitutionspotential ist möglicherweise mit abhängig von der Lokalisation der Läsion (schlechter bei posterior-temporalen als bei parietalen Läsionen). Ein besseres Verständnis der dem Nachsprechen zugrundeliegenden Mechanismen (insbesondere die Relation zu verbalem AG) und der diese Mechanismen unterstützenden Hirnstrukturen könnte sowohl therapeutisch als auch prognostisch relevant sein.