Aktuelle Neurologie 2009; 36 - V110
DOI: 10.1055/s-0029-1238368

Mechanismen der Schmerzlinderung: Der präfrontale Kortex unterscheidet während der Schmerzlinderung zwischen empfundener und ausgeführter Schmerzkontrolle bei der Hitzehyperalgesie

S Leyendecker 1, C Mohr 1, C Erdmann 1, D Petersen 1, C Helmchen 1
  • 1Lübeck

Einleitung: Schmerzen lassen sich leichter ertragen, wenn man sie selbst beenden kann. Bereits die empfundene Kontrolle über einen Schmerzreiz schwächt die Schmerzempfindung ab. Dabei spielen top-down Kontrollmechanismen und eine emotionale Umbewertung eine wichtige Rolle, die über den präfrontalen Kortex vermittelt wird. Ziel unserer fMRT-Studie war es zu untersuchen, ob die empfundene und ausgeführte Kontrolle über einen applizierten Schmerzreiz einen Einfluss auf die Mechanismen der Schmerzlinderung hat.

Methodik: Es wurde bei 15 gesunden Rechtshändern Hitzereize (Thermode) unterschiedlicher Dauer auf die topisch mit Capsaicin behandelte linke Hand appliziert. Die ausgelöste Hitzehyperalgesie wurde mit der fMRT in einem randomisierten 2×2 faktoriellen Studiendesign untersucht. In einer kontrollierbaren Versuchsbedingung konnten die Probanden per Knopfdruck einen lang (7 Sek.) andauernden thermischen Reiz beenden (ausgeübte Kontrolle). In einer unkontrollierbaren Versuchsbedingung wurden Reize derselben Dauer dargeboten, aber ohne die Möglichkeit, den Reiz abzubrechen. In beiden Bedingungen wurden in gleicher Weise randomisiert kurz andauernde Reize dargeboten, die aufgrund ihrer kürzeren Dauer (3 Sek.) besser toleriert und daher nicht abgebrochen wurden (empfundene Kontrolle). Die faktorielle Auswertung (Kontrolle X Schmerzlinderung) erfolgte mit SPM5 (rfx, FWE. p<0,05).

Ergebnis: In der Versuchsbedingung “Empfundene Schmerzkontrolle zeigten sich während der Schmerzlinderung signifikante Aktivierungen im orbitofrontalen Kortex (OFC). In der Bedingung “Ausgeübte Schmerzkontrolle“ (d.h. selbst-gewählter Reizabbruch) war während der Schmerzlinderung der antero- (alPFC) und dorsolaterale präfrontale Kortex (dlPFC) aktiviert.

Schlussfolgerung: Schmerzlinderung führt in Abhängigkeit von der nur empfundenen vs. ausgeübten Kontrolle über einen vorangegangenen Schmerzreiz (Hitzehyperalgesie) zu unterschiedlichen Aktivierungsmustern in den frontalen Kortizes. Schmerzlinderung besteht demnach nicht nur in Form von abnehmender Aktivität in Schmerzregionen, sondern sie wird – in Abhängigkeit von der Kontrolle über den Schmerz – aktiv vermittelt (emotionale Umbewertung). Die Aktivierung im dlPFC und alPFC während der ausgeübten Kontrolle könnte Bezug zur emotionalen Umbewertung eines selbst beendeten Schmerzreizes haben.