Aktuelle Neurologie 2009; 36 - V104
DOI: 10.1055/s-0029-1238367

Immunogene Startle Disease – eine neue antikörperassoziierte neurologische Erkrankung?

C Jacobi 1, S Nagel 1, H Rambold 1, A Vincent 1, HM Meinck 1
  • 1Heidelberg, Altötting; Oxford, UK

Eine massive Steigerung (i.e. Enthemmung) des Schreckreflexes ist das gemeinsame Charakteristikum der Startle Diseases (Hyperekplexie). Hierdurch kommt es zu myoklonischen Stürzen und ängstlich-protektiver Gangstörung. Elektrophysiologisch zeigen sich abnorme Ausprägung und extrem kurze Latenzen von Hirnstammreflexen. Bei der familiären Form können Mutationen der α-1-Untereinheit des inhibitorischen Glycinrezeptors (GLRA1) nachgewiesen werden. Die spezifische Blockade dieses Rezeptors mit Strychnin und Tetanustoxin führt zu charakteristischen Krankheitsbildern mit massiv enthemmten Schreckreflexen.

Patienten mit symptomatischer Hyperekplexie und im MRT sichtbaren Läsionen des ventralen Hirnstamms unterschiedlicher Ätiologie wurden vereinzelt in der Literatur beschrieben. Wir berichten über sechs Patienten mit symptomatischer Hyperekplexie. Vier Patienten litten an unterschiedlichen Grunderkrankungen: Malignome (n=2), Mycoplasmen-Enzephalitis (n=1), Neuroborreliose (n=1), zwei hatten keine weitere Erkrankung. Das kraniale MRT zeigte bei zwei Patienten (Malignom, Neuroborreliose als Grunderkrankung) kontrastmittelaufnehmende Läsionen des ventralen Hirnstamms. Bei den anderen Patienten fand sich im MRT ein Normalbefund. Alle untersuchten Patienten hatten ein entzündliches Liquorsyndrom (lymphozytäre Pleozytose, intrathekale IgG-Synthese, positive oligoklonale Banden), so dass zunächst eine entzündlich bedingte symptomatische Hypereplexie vermutet wurde.

Die ergänzende Untersuchung von Antikörpern gegen Glycin-Rezeptoren (GlyR-Ab) im Serum ergab bei 2/5 Patienten einen positiven Befund. Es handelte sich um einen Patienten mit isolierter Hyperekplexie entzündlicher Genese ohne Hinweis auf andere Erkrankungen und einen Patienten mit Neuroborreliose und Hirnstammläsionen im MRT. Zusammenfassend legen diese Ergebnisse nahe, dass eine Form der Hyperekplexie immunogen, möglicherweise antikörpervermittelt auftreten kann. Weitere Untersuchungen zur Bedeutung der GlyR-Ab sind jedoch notwendig.