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DOI: 10.1055/s-0029-1215996
Überraschungsbefund pT1-Kolonkarzinom nach Polypektomie: Ist die alleinige endoskopische Therapie ausreichend?
Im Kolon und Rektum liegt nach WHO-Definition erst dann ein Karzinom vor, wenn das neoplastische Gewebe die Submukosa infiltriert. Ca. 1–4% aller endoskopisch entfernten Polypen sind frühe, d.h. auf die Submukosa beschränkte Karzinome. Die mittlere Wahrscheinlichkeit eines Lymphknotenbefalls bei T1-Kolonkarzinomen beträgt etwa 6%. Multivariate statistische Überprüfungen histopathologischer Parameter zeigten als unabhängige Risikofaktoren die Ausdehnung der Tiefeninfiltration (sm 1 bis sm 3), das Grading (G3/G4) sowie die Hämangiosis. Zu den High-risk-Tumoren werden weiterhin alle Karzinome gezählt, die einen Lymphgefäßeinbruch aufweisen oder nicht vollständig R0 resezierbar sind. Grundsätzlich können T1-Tumore durch unterschiedliche endoskopische Techniken in sano entfernt werden. Es bleibt somit die Frage, ob nach endoskopischer Therapie solcher T1-Tumore eine weitere Therapie erforderlich oder ob die alleinige lokale koloskopische Abtragung ausreichend sicher ist.
Methoden: Retrospektive Auswertung der Langzeitergebnisse von insgesamt 47 Patienten mit einem T1 N0 Kolonkarzinom im Erfassungszeitraum Juni 1994 bis Dezember 2006 der Chirurgischen Universitätsklinik Tübingen. Nachbeobachtungszeit 3 bis160 Monate (im Mittel 3.4 Jahre). Ausschlusskriterium: Bereits präoperativer Nachweis von Lymphknoten- bzw. Fernmetastasen sowie Rektumkarzinome.
Ergebnisse: In 13 Fällen lediglich Biopsie zur Diagnosesicherung vor anschließender OP, ansonsten 34 x primär endoskopische Mukosaresektion (EMR). 4 Patienten wurden nicht nachoperiert: Im Langzeitverlauf hier kein Anhalt für ein Tumorrezidiv. 30 Patienten mit Colonsegmentresektion nach EMR: In allen Fällen kein Lymphknotennachweis (auch nicht in den primär operierten 3 Fällen mit high-risk-Situation), allerdings fand sich in einem von insgesamt 34 Fällen trotz endoskopisch-makroskopisch vermeintlicher Tumorsanierung postoperativ noch ein kleiner Residualtumor (3% R1-Situation). In 2/43 Fällen kam es zum Auftreten einer Anastomosen-Partialinsuffizienz (4,6%), ansonsten keine relevanten Komplikationen. Überraschenderweise traten metachron in zwei Fällen (Primärtumor: pT1 pN0 Kolon) im Langzeitverlauf Lebermetastasen auf, die histologisch einem kolorektalen Karzinom zuzuordnen waren (2/47=4,3%).
Schlussfolgerung: In 97% aller Fälle (33/34 Patienten) entspricht der endo-makroskopische Aspekt der R0-Kolon-Frühkarzinom-Sanierung nach EMR dem histologischen bzw. Langzeitbefund. Allerdings bleibt ein Risiko von 3% bezüglich des Vorliegens einer R1-Situation sowie ein laut Literatur mindestens 1–2%iges Risiko der Lymphknoten-Metastasierung (1,4% bis 14,4%), daher sollte Patienten-spezifisch nach wie vor die OP-Indikation berücksichtigt werden.