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DOI: 10.1055/s-0029-1214710
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Dresdner Dermatologische Demonstration 2009 – zugleich Tagung der Sächsischen Dermatologischen Gesellschaft am 7. März 2009
Dresden Dermatology Demonstration 2009 – Meeting of the Saxonian Society of Dermatology, March 7, 2009Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
26. Mai 2009 (online)

Tinea incognito
J. Runge, I. Vennewald, G. Hansel
Im November 2007 waren bei der 73-jährigen Patientin erstmals flechtenartige Hautveränderungen am linken distalen Unterschenkel aufgetreten. Seit März 2008 wurde eine zunehmende Progression mit einer tiefen Ulzeration prätibial am linken Unterschenkel beobachtet ([Abb. 1]).
Abb. 1 Lokalbefund linker Unterschenkel medial.An Nebenerkrankungen waren ein arterieller Hypertonus, eine Varikose beidseits und eine Hypothyreose bekannt.
Hautbefund: Bei Aufnahme Anfang November 2008 zeigte sich am linken Unterschenkel ein girlandenförmiges, randbetontes Erythem, welches fast die gesamt Zirkumferenz einnahm. Zusätzlich bestand eine grobe Schuppung. Distal davon fand sich ein sichelförmiges, relativ tiefes, scharf begrenztes Ulkus mit Fibrinbelägen. Die Fuß- und Fingernägel waren dystroph, grau-gelblich verfärbt und teilweise abgebrochen.
Histologie: Wir führten diagnostische Exzisionen durch. Im Bereich des Papillarkörpers und oberen Koriums fand sich ein herdbetont außerordentlich schütteres lymphomonozytoides entzündliches Infiltrat in vorzugsweise perivaskulärer Lokalisation. Im Stratum corneum Nachweis zahlloser Pilzhyphen ([Abb. 2]).
Abb. 2 Histologie mit Pilzelementen im Stratum corneum (PAS, × 40).Laborbefunde: Pathologisch waren Kreatinin (109,6 µmol/l), GFR (46,3), Harnstoff (9,3 mmol/l) und Thrombozyten (408,0 Gpt/l).
Mykologie: Nagelspäne und Hautschuppen ([Abb. 3], [Tab. 1]).
Abb. 3 In (a) sieht man das typische weiße, flauschige Wachstum von Trichophyton rubrum auf allen 3 Nährböden (Sabouraud-, Kimmig- und Mycoselagar), ganz rechts ist zusätzlich Aspergillus fumigatus zu sehen (blau-grün); (b) stellt die Rückseite von (a) dar. Dabei zeigt sich das imposante rot-braune, kreisrunde Wachstum der T. rubrum-Kolonie auf Sabouraud-Agar. Auf Mycozel-Agar (links) ist das kreisförmige, gelb-braune Wachstum von T. rubrum zu sehen. (c) zeigt die biochemische Differenzierung mit Kartoffel- (rechts), Malz- (Mitte) und Harnstoffagar (links). Auf dem Kartoffelagar zeigt sich eine typische braun-rötliche Verfärbung. Harnstoff blieb negativ. Nach 7 Tagen kann sich bei T. rubrum eine zartrosa Färbung zeigen, im Gegensatz zu anderen Trichophytonarten. Tab. 1 Mykologischer Befund. Lokalisation mikroskopisch kulturell 1. Finger li Hand vereinzelt Dermatophyten vereinzelt Candida parapsilosis 3. Finger li Hand sehr viele Dermatophyten viel Candida parapsilosis,viel Candida lipolytica,vereinzelt Rhodotorula rubra 4. Zehe li sehr viele Dermatophyten vereinzelt Candida glabrata,Trichophyton rubrumund Cryptococcus li Großzehe viel Dermatophyten Aspergillus (evtl. Anflugkeim) li US dorsal sehr viele Dermatophyten Trichophyton rubrum li Handballen keine Pilzelemente Pilzkultur negativTherapie und Verlauf: Lokaltherapie mit Ciclopiroxolamin (Batrafencreme®), interne Therapie mit Itraconazol 200 mg/d (Sempera®). Die Therapie wurde über 3 Monate kontinuierlich angewendet und gut toleriert. Bei einer ambulanten Vorstellung Mitte Januar 2009 stellte sich die Patientin mit einem komplett abgeheilten Hautbefund vor.
Kommentar: Die Tinea incognito wurde 1968 von Ive et al. [1] erstmals beschrieben. Der klinisch-morphologische Befund ist dabei durch die symptomatische Anwendung topischer Glukokortikoide verändert. Der Pilz sitzt in der Hornschicht und metabolisiert das Keratin, dadurch wird in der darunter liegenden Epidermis eine Ekzemreaktion ausgelöst. Die typischen Entzündungszeichen werden durch die antiinflammatorisch wirkenden Kortikoide unterdrückt, sodass es zu Fehldiagnosen kommen kann [2,3]. In den von Ive et al. beschriebenen Fällen wurden z. B. eine papulöse Rosazea oder eine Poikilodermie diagnostiziert.
Bei der Diagnostik steht der mykologische Nachweis im Nativpräparat und in der Kultur an erster Stelle.
Der Trend zur Zunahme der Tinea incognito könnte auf eine mangelhafte Diagnostik beim erstbehandelnden Arzt sowie den unkritischen Gebrauch in Therapie und Selbstmedikation der topischen Kortikoide zurückzuführen sein.
Literatur
1 Ive A, Marks R. Tinea incognito. Br Med J 1986; 3: 149 – 152
2 Wacker J, Durani BK, Hartschuh W. Bizarre annular lesion emerging as tinea incognito. Mycoses 2004; 47: 447 – 449
2 Hansel G, Vennewald I, Wollina U. Tinea incognito. G Ital Dermatol Venereol 2004; 139: 263
Prof. Dr. Uwe Wollina
Klinik für Dermatologie und Allergologie am Krankenhaus Dresden-Friedrichstadt
Friedrichstraße 41
01067 Dresden
eMail: wollina-uw@khdf.de