Das deutsche, österreichische, französische, russische und englische Militärsanitätswesen.
IV. Rußland (Fortsetzung aus Nr. 47.)
Zusammenfassung
Die letzten Jahrzehnte haben eine außerordentliche Vermehrung und Verbesserung der
Verkehrsmittel gebracht. Wenn diese auch für den deutschen und österreichischen Kriegssanitatsdienst
nutzbar gemacht worden sind, so steht doch die ererbte und erprobte Organisation nicht
mehr im Einklang mit dem veränderten und verbesserungsfähigem Betriebe. Die Organisation
halt voll das, was sie versprochen. Die verbesserten Hilfsmittel lassen indessen noch
erhebliche Fortschritte erhoffen. Die Kriegspraxis wird manch Veraltetes über Bord
werfen.
Durch die Vermehrung der chirurgisch besonders vorgebildeten Aerzte hat sich — im
Verein mit dem schnelleren Transportmitteln — die Aufgabe der Sanitätsformationen
verschoben.
Der kriegshygienische Dienst kann und muß zur Ausarbeitung von Methoden führen, die
unter Verzicht, auf Mikroskope und Brutschranke die Abwehr und Bekämpfung der Massenerkrankungen
bezwecken und erreichen.
Der französische Feldsanitätsdienst ist, nach den Vorschriften zu urteilen, der fortschrittlichste.
Von Interesse wird sein zu erfahren, in wie weit sich die vorzüglich ausgedachte Auswechselbarkeit
der geschmeidigen Formationen hat durchführen lassen und wie sie auf dem Rückzuge
funktioniert hat.
Die englische nähert sich der französischen Organisation, betont indessen ganz besonders
die hygienischen Aufgaben des Kriegssanitätsdienstes, was wohl mit den reichlich in
den. Kolonien gesammelten Erfahrungen zusammenhangen mag.
Die russische Organisation enthalt viele Dinge, die sicherlich nur bei einem geringen
Teile des Riesenheeres durchführbar sind. Bei ihrem Studium wird man daran erinnert,
was Rousseau im Contrat social über Rußland schreibt: „Mit den Nationen verhält sichs
wie mit den Menschen; man muß, eh man sie Gesetzen unterwerfen kann, eine Zeit der
Reife abwarten, die nicht immer leicht zu erkennen ist. Werden die Nationen verfrüht
den Gesetzen unterworfen, so ist das ganze Werk verfehlt. Manche Völker sind sofort
reif, andere erst nach 1000 Jahren. Die Russen werden niemals richtig kultiviert sein,
weil sie die Zeit der Reife nicht abgewartet haben. …. Rußland will ganz Europa unterjochen,
und wird selber unterjocht werden. Die den Russen untertanen oder benachbarten Tartaren
werden ihre und unsere Herren werden: dieser Umschwung scheint mir unvermeidlich.
Alle Regierungen Europas arbeiten daran, ihn zu beschleunigen.”