Zusammenfassung
Trotz zahlreicher Untersuchungen ist bei der Tuberkulose des Menschen das Problem
der Immunität bis heute nicht in überzeugender Weise gelöst. Es sind z. B. bisher
serologisch keine Antikörper nachgewiesen worden; die Immunität ist nicht übertragbar.
Die Tuberkulinreaktion beweist nur eine kutane Allergie gegen bestimmte Tuberkel-Proteine,
nicht das Vorliegen einer Immunität. Die Schutzimpfung mit BCG bewirkt nur einen zeitlich
begrenzten relativen Schutz, aber durch wiederholten Kontakt mit lebenden Tuberkelbazillen
wird die Abwehrkraft wohl häufig erneuert. Die Abwehr eines Neuinfektes wird nach
experimentellen und klinischen Erfahrungen durch das Vorhandensein lebender Tuberkelbazillen
im Körper eindeutig begünstigt. Diese Bazillen leben offenbar in einer Art Symbiose
mit dem Organismus; dem Körper gelingt es nicht, sie abzutöten und zu eliminieren,
andererseits sind die Keime auf bestimmte Herde beschränkt, so daß es nicht zu einer
fortschreitenden Tuberkulose kommt. Für die Aufrechterhaltung dieses Gleichgewichtes
sind offenbar gewisse Produkte aus dem Stoffwechsel der Tuberkelbazillen von Bedeutung.
Eine Reihe von Faktoren kann zu einer Störung dieses Gleichgewichtes führen. Bekannt
ist der ungünstige Einfluß, den hormonale Störungen, eine mangelhafte Ernährung, Infektionen
und psychische Insulte auf den Verlauf einer Tuberkulose haben können. Da die Abwehrlage
des Organismus von der Anwesenheit lebender Tuberkelbazillen abhängt, sind die Bestrebungen,
die eine vollständige Eliminierung der Tuberkelbazillen durch die Chemotherapie oder
auf chirurgischem Wege anstreben, von zweifelhaftem Wert.