Zusammenfassung
Anstoß zu dieser Arbeit gaben vereinzelte Beobachtungen eines plötzlichen Herausgeratens aus der neurotischen Depression unter antidepressiver Therapie mit Chlorimipramin-Infusionen.
Die Diagnose “neurotische Depression” war in allen Fällen gesichert. Der Entschluß
zur Pharmakotherapie wurde erst dann gefaßt, als psychotherapeutische Bemühungen über
längere Zeit ohne Erfolg blieben. Die depressiven Neurosen wurden im Rahmen von 194
in der gleichen Weise behandelten depressiven Syndromen (72 Neurosen, 62 endogene
Depressionen, 39 Involutionsdepressionen, 21 Schizophrenien) beurteilt. Während depressive
Syndrome bei Schizophrenien in der Regel nicht auf die antidepressive Therapie ansprachen,
zeigte die Behandlung bei den endogenen und Involutionsdepressionen in 75 % der Fälle
und bei den depressiven Neurosen in 63 % der Fälle einen sehr guten oder guten Erfolg.
Bei den neurotischen Depressionen ergab eine genauere Analyse häufig einen phasenhaften Verlauf, einen Symptom- und Konfliktwandel und neben dein provokativen Heraus geraten aus der Depression unter der antidepressiven Therapie ein Umschlagen der Stimmung zum Gegenpol. Die familiäre Belastung mit Nervenleiden war stark.
Die neurotische Maske als Ausdruck einer seelischen Krankheit im biologisch-medizinischen Sinne wird diskutiert und die Zugehörigkeit vieler neurotischer Depressionen zum Formenkreis
des manisch-depressiven Irreseins im Sinne der weiten Definition Kraepelins angenommen. In diesem Zusammenhang wird der psychopathologische Befund als ein wenig
verläßliches Kriterium zur Unterscheidung zwischen endogenen (psychotischen) und erlebnisreaktiven
(neurotischen) Depressionen angesehen.
Es wird auf Arbeiten angelsächsischer Autoren hingewiesen, die ergeben haben, daß
depressive Syndrome unabhängig von ihrer nosologischen Zuordnung – endogen oder reaktiv
– auf eine körperliche Behandlung ansprechen, was ebenfalls auf ein echtes Verflochtensein
endoreaktiver Faktoren bei neurotischen Depressionen hinweist.
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