Aktuelle Neurologie 2008; 35 - P739
DOI: 10.1055/s-0028-1086993

Hereditäres Vorhofmyxom im Rahmen eines Carney-Komplexes – eine seltene Ursache für kardiogene Hirnembolien

S Weis 1, M Nückel 1, F.J Erbguth 1
  • 1Nürnberg

Wir berichten den Fall eines 43-jährigen Patienten, der mit Dysarthrie, vertikaler und inkompletter horizontaler Blickparese und Hemiparese links zur Aufnahme kam. Im cMRT zeigten sich frische Infarkte links thalamisch, im Crus cerebri und Mesencephalon rechts. Außer einem Nikotinkonsum bestand ein leeres vaskuläres Risikoprofil. Mittels Echokardiographie und Kardio-MRT wurde ein Vorhofmyxom im Bereich des linken Atriums nachgewiesen, wofür seitens der Mutter eine positive Familienanamnese bestand. Klinisch bot der Patient darüberhinaus Lentigines und mehrere subkutane noduläre Tumoren. Es bestand ein Zustand nach Thyreoidektomie bei Struma colloides nodosa et diffusa mit ausgeprägten regressiven Veränderungen. Trotz negativer genetischer Testung (nur etwa 50% der Patienten werden im gängigen Screening erfasst) ergab sich nach klinischen Kriterien der Verdacht auf Vorliegen eines Carney-Komplexes (CNC).

Der häufigste primäre Herztumor ist das Vorhofmyxom mit einer jährlichen Inzidenz von 0,5 pro 1 Million Einwohner. Seine pathophysiologische Bedeutung erlangt es durch obstruierende Behinderung des Blutstroms und als arterielle Emboliequelle durch Abgang von Tumorpartikeln oder adhärenten Thromben.

7% der Vorhofmyxome treten familiär gehäuft auf, bei 20% der Betroffenen liegt ein CNC vor, ein 1985 von Carney erstbeschriebenes autosomal-dominant vererbtes Syndrom. Neben Myxomen finden sich Pigmentveränderungen, dermale Tumoren und endokrine Überaktivität, im Sinne von Akromegalie, Schilddrüsen- und Hodentumoren oder eines ACTH-unabhängigen Cushing-Syndroms. Genloci mit für CNC relevanten Mutationen sind 2p16, ein Protoonkogen, und 17q22–24, das für die regulatorische Untereinheit R1A der Proteinkinase A kodiert, die in regulärer Funktion zum Teil als Tumorsuppressor wirkt.

Etwa 35% der Patienten mit Vorhofmyxom erleiden emboligene zerebrale Ischämien und werden dadurch oft erstmals beim Neurologen klinisch auffällig. Die Diagnose eines CNC in Abgrenzung zum sporadischen Vorhofmyxom ist bedeutsam, da bei CNC aufgrund erhöhter Rezidivrate der Myxome nach Resektion regelmäßige kardiologische Kontrolluntersuchungen erforderlich sind. Bei endokrinologischen Auffälligkeiten im Sinne von benignen oder malignen Tumoren oder Hormonexzess sollte in Abhängigkeit des klinischen Bildes eine entsprechende medikamentöse Behandlung, Verlaufsbeobachtung und/oder operative Resektion erfolgen. Zudem sollte bei CNC ein Screening der Verwandten 1. Grades erfolgen.