Aktuelle Neurologie 2008; 35 - P728
DOI: 10.1055/s-0028-1086982

Tabakamblyopie – eine seltene Ursache für eine bds. Opticusneuropathie – eine Kasuistik

R Dachsel 1, M Dachsel 1, S Domke 1, O Gregor 1
  • 1Chemnitz; London, UK

Das Ziel dieser Arbeit ist es, auf eine seltene insbesondere toxische Ursache einer beidseitigen Opticusneuropathie hinzuweisen. Neben endogenen Ursachen (Diabetes mellitus und Urämie) können verschiedene Medikamente (z.B. Digitalis, Amiodaron, Antibiotika, Zytostatika) wie auch Industrieprodukte (Schwermetalle, Schwefelkohlenstoff, organische Lösungsmittel, Methanol) aber auch Alltagsgifte wie Tabak und Alkohol oft in Verbindung mit einer Mangelernährung vermutlich über einen Mangel an Vitamin B1 und B12 zu einer Opticusschädigung führen. Bei einer reinen Tabakamblyopie wird neben einer vasomotorischen Störung eine Intoxikation durch freie Zyanide vermutet (Huber et al. 1998).

Wir berichten über einen 64-jährigen Pensionär, der sich wegen eines innerhalb eines halben Jahres (10/05–03/06) verfallenden Visus auf nur schemenhaftes Erkennen von Gesichtern und trotz Brille nicht mehr möglichen Lesens zunächst augenärztlich und später neurologisch (stationär und ambulant) vorstellte. Er gab einen über 20-jährigen Tabakabusus (etwa 30g Tabak=10 normale Pfeifen/d ununterbrochen geraucht) und einen durchschnittlichen Alkoholkonsum (2 Glas Wein/d) neben altersüblichen Nebenleiden (leichte Hypertonie, Hyperurikämie) bei einem Z.n. kindlicher Tuberkulose mit Beinverkürzung rechts mit massivem Schmerzsyndrom an.

Der ophthalmologische Befund ergab einen Visus von 0,3 rechts und 0,1 links bei Maculanarbe rechts, unauffälligem Fundus links, überwiegend parazentralen Skotomen bds. sowie nicht bestimmbaren VEP. Neurologisch fand sich ein regelrechter Status (excl. Beinverkürzung).

Die Labordiagnostik (Basisdg., Vit. B12, Liquor incl. Infektionstiter, langkettige Fettsäuren, Arylsulfatase u. Sulfat im Urin) erbrachte leicht Veränderungen von Harnsäure, Vit.B12 im Serum, Arylsufatase- und Sulfat im Urin und ein deutlich erhöhtes Albumin im Liquor.

Im cMRT von 03/06 ergaben sich wie auch vorher in 09/01u. danach 07/07 saumartige periventriculäre sowie kleinfleckige Marklagerherde, auch juxtacortical ohne KM- Aufnahme ohne jede Dynamik.

Nach Diagnosestellung einer Tabakamblyopie (Anamnese, Vitamin B12) und konsequenter Nikotinabstinenz hatten sich der Visus nach 3 und die VEP erst nach 12 Mon. deutlich gebessert.

Differentialdiagnostische Gesichtspunkte (klinisch fehlende Demenz, Ataxie und Polyneuropathie) zur metachromatischen Leukodystrophie werden im Poster diskutiert.