Aktuelle Neurologie 2008; 35 - P725
DOI: 10.1055/s-0028-1086979

Bickerstaff-Hirnstammenzephalitis: seltene klinische Konstellation mit guter klinischer Prognose

A Günther 1, A Diekhöfer 1, O Witte 1, C Terborg 1
  • 1Jena, Hamburg

Einleitung: Die Bickerstaff-Hirnstamm-Enzephalitis ist eine seltene immunologische Erkrankung mit Ophthalmoplegie, Ataxie und Bewusstseinsstörung bei möglichem Babinski-Zeichen und sensibler Hemisymptomatik. Klinisch und nosologisch bestehen Ähnlichkeiten zum Guillain-Barré-Syndrom und Miller-Fisher-Syndrom Unter immunmodulierender Therapie ist die Prognose überwiegend gut.

Kasuistik 1: Ein 20-jähriger Mann entwickelte nach vorangegangenem respiratorischen Infekt eine schwere Ataxie und Doppelbilder bei erhaltenen Reflexen und positivem Babinski-Zeichen. Im Verlauf von 3 Tagen kam es zu einem schweren Psychosyndrom mit Bewusstseinsstörung, schlaffer Tetraparese, nahezu komplette horizontaler und vertikaler Blickparese, Diplegia fazialis und Dysarthrie. Das kraniale MRT war unauffällig. Im Liquor fand sich eine leichte Pleozytose bei normalem Eiweiss, die Erregerdiagnostik war negativ. Anti-GM1-IgM waren positiv. Elektrophysiologisch ergab sich eine Hirnstammfunktionsstörung in AEP und TFR. Nach i.v. Immunglobulinen und Kortikoiden kam es zu einer fast kompletten Remission.

Kasuistik 2: Eine 42-jährigen Patientin entwickelte innerhalb von 5 Wochen eine beinbetonte Ataxie, eine radikuläre Parese L5 rechts, eine Okulomotorikstörung mit Abduktionsschwäche des rechten Auges und Nystagmus nach links und ein rechtsseitig positives Babinski-Zeichen. Ein MRT von Schädel und HWS waren unauffällig. Im Liquor zeigte sich eine lymphozytäre Pleozytose mit erheblicher Schrankenstörung (22Zellen/µl, Eiweiß 1985mg) bei unauffälliger Erregerdiagnostik. Elektrophysiologisch fand sich eine axonalen Schädigung sensibler und motorischer Nerven sowie Hinweise auf eine Pyramidenbahnschädigung zum rechten Bein. Einige Subtypen der Gangliosid-AK (GM1-IgM, GM2-IgM, GD1b-IgM) waren positiv, der GQ1b-IgG-AK blieb negativ. Unter i.v. Immunglogulingabe war die Symptomatik deutlich, aber bisher inkomplett rückläufig.

Zusammenfassung: Bei der klinischen Kombination von subakuter Ophthalmoplegie, Ataxie, Bewusstseinsstörung, peripheren Paresen (±erhaltenen Muskeleigenreflexe bzw. Pyramidenbahnzeichen) muss insbesondere bei unauffälliger zerebralen Bildgebung an eine Bickerstaff-Enzephalitis gedacht werden. Der Liquor kann eine leichte Pleozytose und eine Schrankenstörung aufweisen, Gangliosid-Antikörper sind häufig positiv. Unter immunmodulatorischer Therapie ist die Prognose allerdings gut.