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DOI: 10.1055/s-0028-1086937
Chronischer Schmerz und Religiosität in der Neurologie
Hintergrund: Mittels eines validierten epidemiologischen Schmerzfragebogens sollte die Prävalenz, Schwere und Chronizität von Schmerzen bei stationären und ambulanten neurologischen Patienten ermittelt werden.
Der Schmerzmedizin liegt ein bio-psycho-soziales Krankheitsmodell zugrunde. Religiosität sollte als multidimensionales Konstrukt der psychischen Ebene des Modells bei interdisziplinären Studien berücksichtigt werden. Um die Bedeutung der Religiosität für neurologische Patienten zu prüfen, wurde diese Modelldimension untersucht.
Methoden: 450 Patienten füllten den Fragebogen aus. Dieser enthielt Tests zur Depressivität und Angst, zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität und soziodemographische Fragen. Die Schmerzanamnese ermittelte u.a. die Schmerzgraduierung und, Schmerzchronifizierung. Die Religiosität wurde mit dem „Religiositäts-Struktur-Test“ (RST) gemessen. Der RST unterscheidet zwischen Zentralität (Bedeutsamkeit) und Inhalt der Religiosität.
Ergebnisse: 367 Patienten, knapp 82% beklagten Schmerzen innerhalb der letzten 3 Monate. Patienten mit Schmerzen wiesen signifikant höhere Angst- und Depressionswerte auf und zeigten eine reduzierte gesundheitsbezogene Lebensqualität im Vergleich zu neurologischen Patienten ohne Schmerzen.
19,3% der untersuchten Patienten waren hoch religiös, 38,7% religiös and für 42% der Patienten spielte Religiosität keine Rolle.
Zwischen hochreligiösen, religiösen und nicht religiösen Schmerzpatienten zeigten sich keine signifikanten Unterschiede die Angst- und Depressionswerte und die gesundheitsbezogene Lebensqualität betreffend. Hochreligiöse Patienten wiesen signifikant höhere Werte auf in Hinblick auf die Gottesbeziehung sowohl als Ressource als auch als Belastung verglichen mit religiösen und nichtreligiösen Patienten.
Diskussion: Die hohen Schmerzprävalenzen rechtfertigen ein Schmerzscreening, um klinisch bedeutsame Schmerzen zu erfassen. Damit kann der Neurologe eine entscheidende Rolle in einem interdisziplinären Behandlungsansatz spielen.
Hohe Bedeutsamkeit der Religiosität scheint den Copingprozess nicht zu erleichtern. Erst der Inhalt der Religiosität identifiziert Religiosität als Ressource oder als Belastung. Ein integriertes Religiositätsscreening könnte sinnvoll sein, um nicht erkannte Ressourcen zu nutzen bzw. um potentiell schädigenden Einfluss auf den Patienten im Rahmen des bio-psycho-sozialen Krankheitsmodells zu erkennen und ggf. in einer multimodalen Therapie zu berücksichtigen.