Aktuelle Neurologie 2008; 35 - P680
DOI: 10.1055/s-0028-1086934

Prädiktion und Pathophysiologie posttraumatischer Kopfschmerzen nach Halswirbelsäulen-Schleudertrauma

M Obermann 1, K Nebel 1, P Stude 1, C Schumann 1, M Keidel 1, E Gizewski 1, A May 1, H.C Diener 1, Z Katsarava 1
  • 1Essen, Bayreuth, Hamburg

Hintergrund: 90% der Betroffenen beklagen nach einem HWS-Schleudertrauma Kopf- und/oder Nackenschmerzen. In rund 15–20% der Fälle ist eine Chronifizierung der Beschwerden zu beobachten.

Fragestellung: Welche psychologische Faktoren führen zu einer Beschwerdechronifizierung und umgekehrt zu einer raschen Symptomremission? Gibt es kortikal anatomische Veränderungen als Zeichen der Chronifizierung?

Methoden: Multizentrische, prospektive Studie mit insgesamt 21 überwiegend unfallchirurgischen Notaufnahmen und Praxen. Verwendet werden verschiedene etablierte neuropsychologische Testverfahren, sowie ein individuell geführtes Schmerztagebuch. Zusätzlich werden die Patienten kernspintomographisch untersucht zur longitudinalen voxel-based morphometrischen (VBM) Auswertung. MRT innerhalb von 14 Tagen nach dem Unfall, nach 3 Monaten und nach 1 Jahr.

Ergebnisse: Es wurden 220 Patienten neuropsychologisch untersucht, hiervon zeigten lediglich 4,6% der Patienten eine Schmerzchronifizierung. Die folgenden Prädiktoren für eine Schmerzchronifizierung konnten identifiziert werden Gesichtsschmerzen, Zuversicht vollständig zu genesen, rauher Hals nach dem Unfall, Medikamentenübergebrauch, Neck disability Index, Hilflosigkeit/Angst, Depressivität. Die morphometrischen MRT Daten zeigen eine Minderung der grauen Substanz im Gyrus Cinguli und dorsolateralem präfrontalem Kortex nur bei den chronischen Kopfschmerzpatienten nach 3 Monaten. In einer follow-up Untersuchung nach 1 Jahr waren diese Veränderungen nicht mehr Nachweisbar. Allerdings kommt es zu einer Zunahme der grauen Substanz in antinozizeptiven Zentren im Hirnstamm und im Thalamus bds.

Schlussfolgerung: Die an der Kopfschmerzchronifizierung beteiligten Komponenten sind multifaktoriell und beinhalten psychologische Faktoren, pharmakologische Einflüsse, Gesundheitsstatus, Unfallfolgen und versicherungsrelevante Faktoren. Es gelang der Nachweis von morphometrischen Veränderungen der grauen Substanz sekundär zur Entwicklung von chronischem Kopfschmerz welche nach Rückgang der Kopfschmerzen auch wieder Rückläufig war. Die exakte pathophysiologische Ursache die diesen Veränderungen zugrunde liegt bleibt allerdings unklar.