Aktuelle Neurologie 2008; 35 - P621
DOI: 10.1055/s-0028-1086875

Veränderungen im visuellen Kortex bei Migränepatienten

O Höffken 1, P Stude 1, M Lenz 1, H Dinse 1, M Bach 1, M Tegenthoff 1
  • 1Bochum, Freiburg

Fragestellung: Migräne ist eine Erkrankung, bei der eine Fehlregulation kortikaler Aktivität im zentralen Nervensystem eine wichtige Rolle spielt. In zahlreichen Untersuchungen multimodal-evozierter Potentiale konnte eine verminderte Habituierung während wiederholter Stimulation interiktal nachgewiesen werden. Ziel der nun vorliegenden Studie war es, das Doppelpuls-Verhalten der visuell evozierten Potentiale (VEP) mit einem neuen Stimulations-Verfahren, das sich insbesondere durch eine konstante Gesamthelligkeit der Schachbrett-Stimulation auszeichnet, im Hinblick auf eine Alteration der visuellen Verarbeitung an Migränepatienten zu untersuchen.

Methoden: Hierzu wurden bei 19 Patienten mit Migräne ohne Aura (nach IHS-Klassifikation) im migränefreien Intervall Doppelpuls-VEPs unterschiedlichen Stimulusabständen (stimulus onset asynchrony=SOA) abgeleitet und mit 19 alters- und geschlechtsgematchten Kontrollprobanden verglichen. Analyseparameter waren: Amplitudengröße der Einzelreize sowie das „Amplituden-Verhältnis“ zwischen zweiter und erster Antwort bei sieben unterschiedlichen SOAs.

Ergebnisse: Im Vergleich zur Kontrollgruppe wiesen Patienten mit Migräne signifikant niedrigere Einzelamplituden auf.

Abb.1: Amplitudengröße des VEP bei Migränepatienten und Kontrollkollektiv als Mittelwerte±SEM.

Weiterhin zeigten sich signifikant höhere Amplituden-Verhältnissen bei SOAs von 80 bis 107ms.

Abb.2: Amplitudenverhältnisse der zweiten Reizantwort zur ersten bei verschiedenen SOAs als Mittelwerte±SEM.

Es ergaben sich weder signifikante Korrelationen zwischen der Amplitudengröße der ersten Reizantwort und dem Amplitudenverhältnis noch zwischen Anfallshäufigkeit der Migräne und dem Ausmaß der Doppelpuls-Unterdrückung.

Schlussfolgerungen: Bei Patienten mit Migräne zeigten sich deutliche Unterschiede in der kortikalen Antwort auf visuelle Einzel- und Doppelpuls-Stimulation mit dem hier verwandten Reizparadigma. Die erniedrigten Einzelamplituden bei Migränepatienten könnten Ausdruck eines erniedrigten Preaktivierungsniveaus im visuellen Kortex darstellten, die verminderte Doppelpuls-Unterdrückung der zweiten kortikalen Reizantwort Ausdruck einer vergrößerten Exzitabilität. Somit kann davon ausgegangen werden, dass das hier vorgestellte Verfahren ebenfalls in der Lage ist, kortikale Exzitabilität im visuellen Kortex zu messen. Der Wert dieses Verfahrens in der Untersuchung therapeutischer Effekte in der Migräneprophylaxe soll in weiteren Studien untersucht werden.