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DOI: 10.1055/s-0028-1086862
10 Jahre Erstbeschreibung der Kamptokormie als segmentale Dystonie. Was wissen wir heute? – Ein Erfahrungsbericht über 32 Patienten
Einleitung und Methoden: Unter einer Kamptokormie (C) wird eine unwillkürliche aktive Beugung des Rumpfes nach vorn infolge muskulärer Überaktivität der Bauchmuskulatur (Abb.1, untere 2 Spuren) verstanden, welche vor allem im Stehen auftritt und sich im Gehen verstärkt. Die Rumpfbeugung bei Erkrankungen der Wirbelsäule, der Rückenmuskulatur und Spastik/Dystonie des Iiliopsoas sollten nicht darunter eingeordnet werden.
Die Krankheit ist seit über 180 Jahren bekannt, sie wurde bisher pathogenetisch unterschiedlich betrachtet. Nachdem wir 1998 erstmals C-Patienten mit Botulinumtoxin (Btx) behandelten und diese Erkrankung 2001 als segmentale Dystonie beschrieben, haben wir 32 über längere Zeit behandelte Fälle mit primärer (segmentale Dystonie der Bauchwandmuskulatur, n=21) (Abb.2) und sekundärer (beim Morbus Parkinson und bei MSA, n=11) C analysiert. Die Therapieergebnisse mit Btx-Injektionen in die Bauchmuskulatur und/oder mit oralen Medikamenten wurden betrachtet.
Ergebnisse: Während bei 24 (19 primäre, 5 symptomatische C) der 32 behandelten Patienten allein Btx-Injektionen in die Mm. obliqui, transversus et rectus abdominis – gelegentlich zusätzlich auch die Mm. pectorales majores – genügten, um eine etwa drei Monate anhaltende, vom Patienten als ausreichend benannte Symptommilderung zu erreichen, musste bei 8 Patienten eine orale Behandlung (vor allem als „Triple-Therapie“) zusätzlich oder – bei 5 Patienten – allein gegeben werden. Zwei Patienten sprachen auf eine konservative Therapie unbefriedigend an. Für diese stellt eventuell die tiefe Hirnstimulation eine Alternative dar. Für die Btx-Injektionen wird eine spezielle, elektromyographisch gestützte Technik vorgeschlagen (Abb.3). Die dystone Aktivität war in den Mm. obliqui et transversus abd. stärker als im M. rectus abd. ausgeprägt. Methodischer Hauptfehler war bei den ersten Behandlungsversuchen die Unterschätzung der Dicke des subkutanen Fettgewebes über der Bauchmuskulatur.
Schlussfolgerungen: Ungeachtet der ätiologischen Einordnung kann die C meist konservativ mit gutem Erfolg behandelt werden. Mittel der ersten Wahl sind EMG-gestützte Btx-Injektionen in die Bauchmuskulatur. Die primäre C zeigt bessere Behandlungsergebnisse als die seundäre C. Im seltenen Fall eines Therapieversagens kann eine THS erwogen werden.
Literatur: Reichel G, Kirchhöfer U, Stenner A: Camptocormia – eine segmentale Dystonie. Vorschlag einer neuen Definition für eine alte Krankheit. Nervenarzt 72 (2001)281–285


