Aktuelle Neurologie 2008; 35 - P599
DOI: 10.1055/s-0028-1086853

Von der Entzündung zur Degeneration: die Bedeutung des Neurotrophins brain derived neurotrophic factor bei autoimmuner Entmarkung im zentralen Nervensystem

F Lühder 1, D Lee 1, S Cetin 1, S Wiese 1, N Kruse 1, H Neumann 1, M Sendtner 1, R Gold 1, R Linker 1
  • 1Göttingen, Bochum, Bonn, Würzburg

Nachdem die Bedeutung des Immunsystems für die Pathogenese der multiplen Sklerose (MS) lange im Mittelpunkt des Interesses stand, wurde in der letzten Zeit zunehmend die Wichtigkeit der axonalen Schädigung für den Erkrankungsverlauf erkannt. Hierbei ist der Wachstumsfaktor „brain derived neurotrophic factor“ (BDNF) von besonderem Interesse, dem nicht nur eine Schlüsselrolle für neuronale Differenzierung und Plastizität zukommt, sondern das auch axonprotektive Eigenschaften besitzt. BDNF wird von Immunzellen sowohl in vitro als auch in MS Läsionen produziert; Beobachtungen die zur Prägung des Begriffs „neuroprotektive Autoimmunität“ führten. Da BDNF knockout Mäuse bereits kurz nach der Geburt versterben, untersuchten wir zur Prüfung der Hypothese der neuroprotektiven Autoimmunität Mäuse mit einer konditionellen BDNF Deletion entweder in Astroglia (GFAPCre BDNFfl/fl Mäuse) oder in Immunzellen (lysMCrelckCre BDNFfl/fl Mäuse) sowie einen Ansatz mit lentiviraler Überexpression von BDNF in Myelin Oligodendrozyten Glykoprotein (MOG) spezifischen T Zellen. Als Erkrankungsmodell wurde die durch MOG induzierte experimentelle autoimmune Encephalomyelitis (EAE) der Maus verwendet, die viele Facetten der MS wieder spiegelt. In GFAPCre BDNFfl/fl Mäusen verlief die MOG-EAE schwerer. Histologische Analysen zeigten einen vermehrte Expression des Amyloidvorläuferproteins APP sowie einen vermehrten axonalen Verlust in Läsionen, der Periläsion und auch der normal erscheinenden weißen und grauen Substanz ohne signifikante Beeinflussung der Immunantwort. Im Gegensatz hierzu fand sich in lysMCrelckCre BDNFfl/fl Mäusen in der frühen Phase der MOG-EAE eine abgeschwächte Immunantwort. In späteren Erkrankungsphasen kam es dann jedoch ebenfalls zu einer zunehmenden Behinderung und einem gegenüber Kontrolltieren signifikant vermehrten axonalen Verlust in entmarkten Läsionen. Die Injektion BDNF überexprimierender, MOG spezifischer T Zellen führte schließlich zu einer milderen MOG-EAE mit abgeschwächter Axonschädigung. Zusammenfassend sprechen diese Daten für eine axonprotektive Rolle von BDNF bei autoimmuner Entmarkung, so dass dieser Faktor auch für therapeutische Ansätze bei der MS von Bedeutung sein könnte.