Aktuelle Neurologie 2008; 35 - P545
DOI: 10.1055/s-0028-1086799

Das Beenden künstlicher Ernährung und Flüssigkeitsgabe bei Patienten mit neurodegenerativen Erkrankungen

S Lorenzl 1, G.D Borasio 1
  • 1München

Einleitung: Häufig erhalten Patienten mit neurodegenerativen Erkrankungen im fortgeschrittenen Stadium eine Ernährungssonde (PEG), teilweise auch gegen den eigenen Willen (Patientenverfügung) oder den Willen ihrer entscheidungsberechtigten Vertreter (Betreuer/Bevollmächtigte). Das immer wieder ins Feld geführte, aber wissenschaftlich nachweisbar falsche Argument ist „Sie können doch Ihren Vater/Mutter nicht verhungern und verdursten lassen“.

Methoden: Wir berichten über den Entscheidungsprozess und den klinischen Verlauf bei fünf Patienten mit neurodegenerativen Erkrankungen, bei denen im Rahmen eines stationären Aufenthalts auf unserer Palliativstation die Frage nach Einstellung oder Nicht-Einleitung einer künstlichen Ernährung/Flüssigkeitsgabe eruiert wurde.

Ergebnisse: Bei allen Patienten konnte aufgrund von schriftlich verfassten Patientenverfügungen oder Angaben der Angehörigen über frühere Willensäußerungen der Patientenwillen bezüglich Lebensverlängerung eruiert werden. Allerdings war es in zwei Fällen für die Familie eine große Erleichterung, dass die Entscheidung zur Nicht-Fortführung oder Nicht-Einleitung einer künstlichen Ernährung/Flüssigkeitsgabe vom Arzt aufgrund einer fehlenden Indikation gestellt wurde.

Schlussfolgerungen

  • Die Gabe von Nahrung und Flüssigkeit über die PEG-Sonde ist eine medizinische Maßnahme, die der Patient oder sein Vertreter ablehnen kann.

  • Die Anlage einer PEG-Sonde ist bei einer weit fortgeschrittenen neurodegenerativen Erkrankung nach derzeitigem Wissensstand in der Regel nicht indiziert.

  • Bei fehlender Indikation ist das Beenden einer künstlichen Ernährung und Flüssigkeitsgabe eine medizinische Entscheidung, für welche der Arzt die Verantwortung trägt – das kann zu einer großen Entlastung für die Familie führen.

  • Es ist unerlässlich, alle enge Familienangehörige (nicht nur den Betreuer) in den Entscheidungsprozess einzubinden, um Konflikte vorzubeugen.

  • Die Einbeziehung von nicht-ärztlichem Personal (Seelsorger, Pflegende, Sozialarbeiter, Psychologen) in den Gesprächen mit der Familie hat sich sehr bewährt.