Aktuelle Neurologie 2008; 35 - P516
DOI: 10.1055/s-0028-1086770

Zerebrale Abszesse als Differentialdiagnose von Metastasen bei Bronchialkarzinom

J Fabricius 1, C Hohmann 1, E Vogt 1, E Hofmann 1, M Janka 1, R Behr 1, A Jacobs 1
  • 1Fulda

Hintergrund: Intrazerebrale Abszesse sind eine wichtige Differentialdiagnose zur multiplen zerebralen Metastasierung.

Fallbericht: Ein 68-jähriger Patient wurde aufgrund einer seit 4 Wochen aufgetretenen Gangstörung und zunehmenden Schwäche beider Beine aufgenommen. An Vorerkrankungen waren ein Bronchialkarzinom des linken Lungenunterlappens mit Verdacht auf Brustwandinfiltration, Z.n. Radiotherapie, Chemotherapie, Hypertonie, KHK mit Z.n. ACVB-OP sowie eine COPD bekannt. Neurologisch fand sich eine Mundastschwäche links sowie eine rechtsbetonte Paraparese mit gesteigerten MER, Fallneigung nach rechts sowie Hypästhesie des rechten Beines und Thermhypästhesie des linken Beines. Im Verlauf kam es zu einer progredienten Parese des rechten Armes. Das Labor zeigte Normalbefunde, insbesondere waren BSG und CRP normwertig. Im CCT bestand der Verdacht auf mehrere subakute kortikale Infarkte. Das MRT zeigte multiple randständig kontrastmittelaffine cerebrale Herde mit perifokalem Ödem und verminderten ADC-Werten. Unter dem Verdacht auf eine eitrige Herdenzephalitis wurde die klinisch führende Läsion über eine osteoplastische Trepanation exstirpiert und stellte sich als zentral eingeschmolzener Abszess dar. Daraufhin wurden 2 weitere Abszesse operativ entleert. Als Erreger konnte Fusobacterium nucleatum gesichert werden. Postoperativ war unter antibiotischer Therapie die Armparese rechts rückläufig, eine Besserung der Paraparese trat nicht ein. Das MRT zeigte im Verlauf eine gute Rückbildung der Abszesse.

Schlussfolgerung: Ausgehend von der tumorösen Vorerkrankung stellten wir bei multiplen cerebralen Raumforderungen trotz fehlender Infektparameter die Verdachtsdiagnose einer abszedierenden Herdenzephalitis. Wegen der therapeutischen Konsequenzen (palliative Therapie bei multipler Metastasierung vs. antibiotische Behandlung bei Abszessen) wurde die histologische Diagnosesicherung angestrebt. Die Diagnose der cerebralen Abszedierung bei Immunsuppression infolge tumoröser Primärerkrankung unter Chemotherapie konnte nach Probengewinnung gestellt und antibiogrammgemäß behandelt werden. MRT erlaubt eine gezielte Indikationsstellung zur histologischen Diagnosesicherung.