Einleitung: Ursache eines ipsilateralen Horner-Syndroms, begleitet von Kopfschmerzen und einer supratentoriellen Ischämie mit kontralateraler sensomotorischer Symptomatik, sind häufig Dissektionen der Karotiden. Bei akuter zerebraler Ischämie stellt sich im Einzelfall die Frage, ob bei Verdacht auf eine zugrunde liegende Karotisdissektion dennoch eine Thrombolysetherapie indiziert und sicher durchführbar ist. Deutlich seltener sind Läsionen an anderen Orten für ein Horner-Syndrom mit fokalen Defiziten verantwortlich.
Fallbericht: Eine 49-jährige, türkische Patientin stellte sich eine Stunde nach Symptombeginn mit einem linksseitigem schmerzlosen Horner-Syndrom, Dysarthrie und einer sensomotorischen geringen Hemiparese rechts (NIHSSS bei Aufnahme: 6, NIHSSS bei Entlassung: 1) in der Notfallambulanz vor. Nach CT-basiertem Blutungsausschluss erfolgte innerhalb von 1h 15min trotz Verdachts auf symptomatische spontane Karotisdissektion eine systemische Lysetherapie. In der Dopplersonographie und im MRT, welches einschließlich fettsupprimierter und protonengewichteter Sequenzen nach einem Tag durchgeführt wurde, fanden sich wider Erwarten keine Hinweise für das Vorliegen einer Karotisdissektion. Vielmehr demarkierte sich ein Thalamusinfarkt links. In der Ursachenabklärung fiel eine Hyperthyreose mit erhöhten Thyreoglobulin-Antikörpern auf hinweisend auf ein seltenes Marine-Lenhart-Syndrom (Autoimmunhyperthyreose mit Struma multinodosa), das wir trotz fehlendem Nachweis einer hyperthyreose-bedingten Herzrhythmusstörung im Langzeit-EKG als Infarktursache ansehen.
Diskussion: Eine Thalamusläsion kann das höchste Alternans-Syndrom mit ipsilateralem Horner-Syndrom und kontralateraler Afferenzstörung, also einer vorwiegend sensiblen Ausfallssymptomatik, darstellen. Das Horner-Syndrom kommt durch eine Läsion der zentralen Sympathikusbahn zustande. Häufiger finden sich jedoch Dissektionen als Ursache solcher Konstellationen. Dies in einer Notfallsituation zu differenzieren, gelingt leider nicht zuverlässig. Bei unserer Patientin hat eine Thalamus-Läsion eine Karotisdissektion imitiert. Trotz vermuteter Dissektion initiierten wir eine systemische Lysetherapie mit gutem Erfolg. Bei 50 in der Literatur berichteten systemischen Thrombolysen bei Dissektionspatienten ist davon auszugehen, dass eine Lysetherapie auch bei dieser Schlaganfallätiologie ohne spezifisch erhöhtes Risiko möglich ist. Somit kann auch bei diagnostischer Unsicherheit eine Thrombolyse durchgeführt werden.