Aktuelle Neurologie 2008; 35 - P416
DOI: 10.1055/s-0028-1086670

Primäres zerebrales Non-Hodgkin Lymphom als Ursache einer rasch progredienten Hirnstammsymptomatik

B Welter 1, S Bischofs 1, K Papke 1, M Nolden-Koch 1, W Nacimiento 1
  • 1Duisburg

Ziel der vorliegenden Kasuistik ist die Darstellung der differentialdiagnostischen Herausforderung in der Diagnosestellung des mit einer Inzidenz von 0,5:100000 extrem seltenen cerebralen Non-Hodgkin Lymphomes. Wir berichten über eine zuvor gesunde und immunkompetente 72-jährige Patientin mit rasch progredienter Hirnstammsymptomatik, welche sich zur Abklärung akut aufgetretener, nicht belastungsabhängiger nebeneinanderstehender Doppelbilder vorstellte. Im weiteren Verlauf kam es zu einem massivem Progress der Hirnstammsymptomatik mit einem zunächst nachweisbaren Eineinhalb-Syndrom, dann fortschreitend bis zu einer kompletten Ophthalmoplegie sowie hochgradiger linksbetonter Tetrasymptomatik mit erhaltenen Muskeleigenreflexen sowie linksbetonten Pyramidenbahnzeichen. Als Ursache dieser Symptomatik zeigten sich in der Kernspinntomographie multiple hyperintense Signalveränderungen in der T2-Wichtung mit Kontrastmittelaufnahme im Bereich von Thalamus, Mesencephalon und Pons. Liquordiagnostisch fand sich eine leichte lymphozytäre Pleozytose mit geringer Eiweißerhöhung. Glucose und Lactat lagen im Normbereich. Wir schlossen differentialdiagnostisch eine cerebrale Ischämie, erregerbedingte Encephalitiden (durch HSV, VZV, HHV-6, Thropheryma whippelii, Mycobacterien, Listeria Monocytogenes, Enteroviridae, Pilz-Antigene, HIV, Neuroborreliose sowie Neurolues), Anti-GQ1b-Syndrome, Hypovitaminosen sowie eine Neurosarkoidose aus. In der Liquorzytologie gelang der Nachweis vermehrt mononucleärer Zellen, welche immunhistochemisch überwiegend CD-3 positiven T-Zellen sowie CD-20 positiven Blasten entsprachen, vereinbar mit einem primär cerebralen niedrigmalignem B-Zell Non-Hodgkin-Lymphom. Auf eine Biopsie zur Diagnosesicherung mussten wir aufgrund der Lokalisation verzichten. Eine extracerebrale Beteiligung konnte ausgeschlossen werden. Unter Steroidtherapie kam es zu einer Stabilisierung sowie leichtgradigen Reduktion der Paresen und der okulären Symptomatik. Bei der eingeschränkten Prognose entschlossen wir uns zunächst zu einer intrathekalen Chemotherapie mit Cytarabin. Hierunter wie auch unter intensiver multimodaler Frührehabiliativer Therapie kam es zu einer weiteren Reduktion der neurologischen Defizite. Der vorliegende Fall illustriert, dass auch bei gänzlich immunkompetenten Patienten ein primär cerebrales Lymphom differentialdiagnostisch in Erwägung gezogen werden muss.