Aktuelle Neurologie 2008; 35 - V367
DOI: 10.1055/s-0028-1086646

Hohe Prävalenz eingeschränkter Schlafqualität bei zervikaler Dystonie und Blepharospasmus

S Paus 1, J Groß 1, M Moll-Müller 1, A Spottke 1, B Wabbels 1, T Klockgether 1, M Abele 1
  • 1Bonn

Hintergrund: Bewegungsstörungen werden immer mehr als komplexe Erkrankungen mit relevanten nicht-motorischen Symptomen, darunter auch Schlafstörungen, angesehen. Während nachgewiesen wurde, dass u.a. exzessive Tagesschläfrigkeit, Restless-Legs-Syndrom (RLS) und schlafbezogene Atemstörungen (SAS) beim Parkinson-Syndrom und anderen Basalganglienerkrankungen häufig sind, beschränken sich Informationen zu Schlafstörungen bei Dystonien überwiegend auf generalisierte oder familiäre Erkrankungen. Allerdings berichten auch Patienten mit Blepharospasmus (BL) und zervikaler Dystonie (ZD) oft über Schlafprobleme, wobei hier kaum Daten zu Prävalenz oder Ursache vorliegen. Die Untersuchung von Schlafstörungen auch bei nicht-degenerativen Bewegungsstörungen könnte dazu beitragen, die komplexen Zusammenhänge zwischen Bewegung und Schlaf aufzuklären.

Fragestellung: Untersuchung von Prävalenz, Risikofaktoren und Komorbidität von Schlafstörungen bei idiopathischer fokaler Dystonie.

Methoden: Standardisierte Interviews, klinische Untersuchungen und Selbstbeurteilungsbögen bei 221 Patienten mit fokaler Dystonie (110 BL, 111 ZD), inklusive validierten Fragen und Skalen zu Schweregraden, Schlafstörungen und Depression (u.a. Toronto Western Spasmodic Torticollis Rating Scale, TWSTRS; Jankovic Rating Scale, JRS; Becksches Depressions Inventar, BDI; Pittsburgh Sleep Quality Index, PSQI; Epworth Sleepiness Scale).

Ergebnisse: Durchschnittswerte für Alter, Krankheitsdauer und Schweregrad: ZD 60 Jahre, 15,5 Jahre, 16,7 (TWSTRS); BL 66 Jahre, 10,7 Jahre, 5,9 (JRS). Eine Störung der Schlafqualität (PSQI >5) lag bei 44% (ZD) und 46% (BL) vor. Kriterien für RLS und SAS ergaben sich in 18%/15% (ZD) und 20%/18% (BL). Depressive Symptome (BDI >10) fanden sich bei 25% (ZD) und 27% (BL). Vermehrte Tagesschläfrigkeit war in beiden Gruppen selten (6%).

Gestörte Schlafqualität korrelierte positiv mit BDI-Werten (p<0.001) und RLS (p<0.001) in beiden Gruppen. Bruxismus (bei ZD, p<0.05) und weibliches Geschlecht (bei BL, p<0.001) wurden als weitere Risikofaktoren identifiziert, nicht jedoch der Schweregrad der Dystonie (TWSTRS oder JRS).

Schlussfolgerungen: Störungen der Schlafqualität sind mit einer Prävalenz von fast 50% häufige Beschwerden fokaler Dystonien und mit depressiven Symptomen, Bruxismus und RLS assoziiert. Die Ergebnisse bei ZD und BL ähneln sich, was für einen gemeinsamen intrinsischen Mechanismus und eher gegen eine direkte Auswirkung dystoner Muskulatur auf den Schlaf sprechen könnte. Zukünftige Studien sollten polysomnografische Untersuchungen zur Beurteilung von Schlafprofil, periodischen Beinbewegungen im Schlaf und schlafbezogenen Atemstörungen umfassen.