Hintergrund: Bewegungsstörungen werden immer mehr als komplexe Erkrankungen mit relevanten nicht-motorischen
Symptomen, darunter auch Schlafstörungen, angesehen. Während nachgewiesen wurde, dass
u.a. exzessive Tagesschläfrigkeit, Restless-Legs-Syndrom (RLS) und schlafbezogene
Atemstörungen (SAS) beim Parkinson-Syndrom und anderen Basalganglienerkrankungen häufig
sind, beschränken sich Informationen zu Schlafstörungen bei Dystonien überwiegend
auf generalisierte oder familiäre Erkrankungen. Allerdings berichten auch Patienten
mit Blepharospasmus (BL) und zervikaler Dystonie (ZD) oft über Schlafprobleme, wobei
hier kaum Daten zu Prävalenz oder Ursache vorliegen. Die Untersuchung von Schlafstörungen
auch bei nicht-degenerativen Bewegungsstörungen könnte dazu beitragen, die komplexen
Zusammenhänge zwischen Bewegung und Schlaf aufzuklären.
Fragestellung: Untersuchung von Prävalenz, Risikofaktoren und Komorbidität von Schlafstörungen bei
idiopathischer fokaler Dystonie.
Methoden: Standardisierte Interviews, klinische Untersuchungen und Selbstbeurteilungsbögen
bei 221 Patienten mit fokaler Dystonie (110 BL, 111 ZD), inklusive validierten Fragen
und Skalen zu Schweregraden, Schlafstörungen und Depression (u.a. Toronto Western
Spasmodic Torticollis Rating Scale, TWSTRS; Jankovic Rating Scale, JRS; Becksches
Depressions Inventar, BDI; Pittsburgh Sleep Quality Index, PSQI; Epworth Sleepiness
Scale).
Ergebnisse: Durchschnittswerte für Alter, Krankheitsdauer und Schweregrad: ZD 60 Jahre, 15,5
Jahre, 16,7 (TWSTRS); BL 66 Jahre, 10,7 Jahre, 5,9 (JRS). Eine Störung der Schlafqualität
(PSQI >5) lag bei 44% (ZD) und 46% (BL) vor. Kriterien für RLS und SAS ergaben
sich in 18%/15% (ZD) und 20%/18% (BL). Depressive Symptome (BDI >10) fanden sich
bei 25% (ZD) und 27% (BL). Vermehrte Tagesschläfrigkeit war in beiden Gruppen selten
(6%).
Gestörte Schlafqualität korrelierte positiv mit BDI-Werten (p<0.001) und RLS (p<0.001)
in beiden Gruppen. Bruxismus (bei ZD, p<0.05) und weibliches Geschlecht (bei BL,
p<0.001) wurden als weitere Risikofaktoren identifiziert, nicht jedoch der Schweregrad
der Dystonie (TWSTRS oder JRS).
Schlussfolgerungen: Störungen der Schlafqualität sind mit einer Prävalenz von fast 50% häufige Beschwerden
fokaler Dystonien und mit depressiven Symptomen, Bruxismus und RLS assoziiert. Die
Ergebnisse bei ZD und BL ähneln sich, was für einen gemeinsamen intrinsischen Mechanismus
und eher gegen eine direkte Auswirkung dystoner Muskulatur auf den Schlaf sprechen
könnte. Zukünftige Studien sollten polysomnografische Untersuchungen zur Beurteilung
von Schlafprofil, periodischen Beinbewegungen im Schlaf und schlafbezogenen Atemstörungen
umfassen.