Aktuelle Neurologie 2008; 35 - V345
DOI: 10.1055/s-0028-1086634

Akute intermittierende Porphyrie: eine wichtige Differenzialdiagnose bei rasch progredienten Polyneuropathien

S Bischofs 1, B Welter 1, M Nolden-Koch 1, W Nacimiento 1
  • 1Duisburg

Wir präsentieren drei Kasuistiken, welche die Relevanz und Schwierigkeiten der Differenzialdiagnose rasch progredienter Polyneuropathien im Rahmen einer akut intermittierenden Porphyrie deutlich machen. Bei weitem nicht alle Patienten zeigen die klassische Trias aus internistischen, neurologischen sowie psychiatrischen Symptomen, zudem ist auch im fortgeschrittenen Alter eine Erstmanifestation möglich. Die Differenzialdiagnose einer Porphyrie sollte demnach bei allen rasch progredienten Polyneuropathien in Betracht gezogen werden. Die hier präsentierten Patienten wurden innerhalb eines Jahres in unserer Klinik diagnostiziert und behandelt, eine Porphyrie war bei keinem der Patienten noch bei deren Familienangehörigen bekannt. Nur eine Patientin bot typische abdominelle Beschwerden vor Entwicklung ihrer neurologischen Symptomatik. Alle Patienten zeigten das Bild einer rasch progredienten symmetrischen schlaffen Tetraparese mit erloschenen Muskeleigenreflexen sowie einer elektrophysiologisch gesicherten schweren axonalen Polyneuropathie. Jedoch fand sich bei zwei Patienten ebenfalls der Befund einer liquordiagnostisch nachweisbaren zytalbuminären Dissoziation, welches die Differenzialdiagnose zum Guillain-Barré-Syndrom erschwerte. Auch waren Porphyrin-Vorläufermetaboliten bei einem Patienten nur leicht erhöht, bei einer Patientin erst nach dreimaliger Testung nachweisbar. Kontrastierend zur Angabe einer relativ niedrigen Inzidenz in der Literatur entwickelten zwei Patienten im Verlauf Zeichen einer cerebralen Beteiligung mit sowohl komplex-fokalen als auch generalisierten cerebralen Krampfanfällen. Die Therapie der Wahl besteht im Absetzen sämtlicher porphyrinogener Medikamente, zudem in der Applikation intravenösen Hämins im frühen Stadium einer akuten Attacke, d.h vor Entwicklung einer schweren Polyneuropathie. Ein Patient wurde uns leider mit einer bereits manifesten Tetraplegie aus der Türkei zugewiesen, eine klinische Besserung ließ sich trotz intensiver rehabilitativer Maßnahmen nicht erzielen. Zwei Patientinnen zeigten unter Therapie eine dramatische Besserung ihres klinischen Zustandes. Diese Kasuistiken illustrieren die enorme Relevanz der frühzeitigen korrekten Diagnostik wie Therapie einer akut intermittierenden Porphyrie. Fehlleitend sind hierbei oft zu differenzialdiagnostisch erwägbaren Erkrankungen passende Befunde sowie der gerade bei fortgeschrittenen Erkrankungen nicht immer gelingende Nachweis von Porphyrin-Vorläufermetaboliten.