Aktuelle Neurologie 2008; 35 - V126
DOI: 10.1055/s-0028-1086535

Chorea-Akanthozytose: Genetik und Verlauf von 106 Patienten

B Bader 1, C Dobson-Stone 1, A Velayos-Baeza 1, A Monaco 1, R Walker 1, A Danek 1
  • 1München; Darlinghurst, AUS; Oxford, UK; New York, USA

Fragestellung: Im Rahmen der Differentialdiagnostik des Morbus Huntington spielen Neuroakanthozytosesyndrome eine wichtige Rolle. Die autosomal rezessive Chorea-Akanthozytose (ChAc, OMIM #200150) stellt die häufigste Erkrankung innerhalb dieser Gruppe dar. Anhand einer systematischen Auswertung der Daten von 106 genetisch gesicherten ChAc Patienten lässt sich der spezifische Krankheitsverlauf darstellen und ein Überblick über die ursächlichen Mutationen des VPS13A Gens gewinnen.

Methoden: Die Patientendaten wurden anhand von standardisierten Fragebögen erhoben und statistisch ausgewertet. Patienten konnten durch systematische Literaturrecherche sowie durch direkte Anfragen im Rahmen einer VPS13A Mutationsdiagnostik gewonnen werden. Einverständniserklärungen zur anonymisierten Nutzung klinischer und genetischer Daten liegen vor.

Ergebnisse: Das Mutationsspektrum zeigt 81 unterschiedliche Mutationen (63 in Exons, 18 in Introns). Die Exonmutationen verteilen sich ohne Fokus auf 44 der insgesamt 73 Exons. Nach durchschnittlichem Beginn im 30. Lebensjahr endet die Erkrankung im Mittel nach 12 Jahren letal. Epileptische Anfälle (42%) und orofaziale Dyskinesien (25%) zählen zu den häufigsten Erstsymptomen von ChAc Patienten. In der Labordiagnostik zeigt sich in 73% der Patienten eine Erhöhung der Serum CK von über 500U/l und ist damit verlässlicher als der inkonsistente Akanthozytennachweis. Anhand von 42 ausgewählten Symptomen und technischen sowie laborchemischen Untersuchungen gelang es, den Krankheitsverlauf detailliert darzustellen. In der medikamentösen Behandlung ergaben sich Hinweise, dass die begleitenden epileptischen Anfälle gut auf eine Therapie beispielsweise mit Carbamazepin (80% Anfallsfreiheit/deutliche Reduzierung der Anfallsfrequenz, n=15) oder Valproat (83%, n=12) ansprechen. Haloperidol als Neuroleptikum hingegen bleibt häufig wirkungslos (85% ohne Wirkung, n=13).

Schlussfolgerungen: Die ChAc lässt sich typischerweise in drei aufeinanderfolgende Phasen einzuteilen: In der Phase I zeigen sich häufig epileptische Anfälle und/oder Tics verschiedener Qualitäten (häufig motorisch und orofazial betont). Die Phase II wird dominiert durch hyperkinetische Bewegungsstörungen wie Chorea des Stammes und von Hals und Kopf, sowie von Dystonien insbesondere der Zunge. Dies geht schließlich in die Phase III über, die sich durch ein hypokinetisches Parkinsonsyndrom, dem Verlust von Reflexen und (häufig neurogene) Myopathie charakterisiert.