Fragestellung: Unter Theory of Mind (ToM) wird die Fähigkeit verstanden, den mentalen Zustand einer
anderen Person zu erschließen. Man unterscheidet zwischen affektivem (Interpretation
einer dritten Emotion) und kognitivem (Interpretation einer dritten Intention) ToM.
Der präfrontale Cortex stellt ein wichtiges neurales Korrelat von ToM-Leistungen dar.
Neuere Studien geben Hinweise darauf, dass der rechte dorsolaterale präfrontale Cortex
(DLPFC) für kognitive ToM-Fähigkeiten eine Rolle spielen könnte. In dieser Studie
wurde die Relevanz dieser Struktur für kognitves ToM mittels repetitiver transkranieller
Magnetstimulation (rTMS) untersucht. Erwartet wurde eine selektive Leistungsminderung
kognitiver ToM-Leistungen durch rTMS über dem rechten DLPFC.
Methoden: 28 gesunde Probanden (männlich, Rechtshänder, mittleres Alter: 24.0, SD:2,7J.) führten
je zwei Mal die computergestützte „Yoni-Aufgabe“ zur Erfassung kognitiver und affektiver
ToM-Leistungen durch. Hierbei muss der mentale Zustand eines Gesichts anhand des Ausdrucks
und/oder der Blickrichtung erschlossen werden. Eine rTMS (Magstim Rapid2 Stimulator, 1Hz, 900 Pulse, Intensität 100% des individuellen Motor-Schwellenwerts)
des rechten DFPFC (BA 9) und des Vertex als Kontrollbedingung wurde durchgeführt.
BA 9 wurde mittels der 5cm-Methode lokalisiert, mit Vitamin B-Kapseln markiert und
mittels MRT (1,5 Tesla, Achieva, Philips) validiert. Zur Datenanalyse wurde ein Allgemeines
lineares Modell mit Messwiederholung berechnet.
Ergebnisse: Es wurde eine signifikante Interaktion zwischen Bedingung (experimentell vs. Kontrollstimulation)
und Stimulustyp der Aufgabe (kognitives ToM, affektives ToM, Non-ToM-Kontrollitems)
gefunden (p=0.029). Ein post-hoc T-Test für gepaarte Stichproben zeigte einen signifikanten
Unterschied für die Reaktionszeiten der Probanden auf kognitive ToM-Stimuli in der
experimentellen Bedingung im Vergleich zur Kontrollbedingung (p=0,001). Die Reaktionszeiten
waren in der experimentellen Bedingung im Vergleich zur Kontrollbedingung verkürzt.
Schlussfolgerung: Eine rTMS auf den rechten DLPFC hat einen Effekt auf kognitive, nicht affektive ToM-Leistungen.
Es kommt zu einer Verkürzung der Reaktionszeiten, d.h. zu einer Effizienzsteigerung
der Leistung. Möglicherweise ist dieser Effekt auf eine herabgesetzte transcallosale
Inhibition des rechten DLPFC auf den linken DLPFC zurückzuführen, der für kognitive
ToM-Leistungen offensichtlich hohe Relevanz besitzt.