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DOI: 10.1055/s-0028-1086521
Mechanismen der sprachlichen Reorganisation von der akuten zur chronischen Phase nach Schlaganfall
Fragestellung: Sprachfunktionen sind im menschlichen Gehirn in einem links lateralisierten temporo-frontalen Netzwerk organisiert. Ziel unseres Projektes ist es zu verstehen (i) wie fokale ischämische Läsionen in diesem Netzwerk Sprachstörungen verursachen und (ii) wie sich dieses Netzwerk von der akuten zur chronischen Phase nach dem Schlaganfall reorganisiert, um das funktionelle Defizit zu kompensieren.
Methode: 22 Patienten mit Aphasie, verursacht durch einen Infarkt des linken Mediaterritoriums wurden von der akuten [erste Untersuchung 2,3±1,5 days post stroke (dps)] bis in die chronische Phase (276±128 dps) wiederholt (3–8 mal) mit einem auditiven Sprachverständnisparadigma im funktionellen MRT untersucht. Zum Zeitpunkt jeder fMRT-Untersuchung erfolgte eine sprachliche Untersuchung mit einer Aphasietestbatterie.
Ergebnisse: (i) Random effect-Analysen zeigen einen sprachlichen Reorganisationsprozess in drei Phasen: In der akuten Phase I ist die Sprachaktivierung reduziert und auf linke inferior frontale Anteile des Netzwerkes begrenzt. Diese Aktivierung korreliert mit der sprachlichen Leistung. In der subakuten Phase II zeigt sich ein starker Anstieg der Aktivierung im gesamten Netzwerk mit Rekrutierung des rechten inferior frontalen Kortex. Dabei zeigt sich die stärkste Korrelation von sprachlicher Verbesserung und Aktivierungszunahme im rechten inferior frontalen Kortex. In der chronischen Phase III erfolgt eine Normalisierung der Aktivierung mit stärkster Aktivierung in frontalen und temporalen Spracharealen der linken Hemisphäre. (ii) Eine Subgruppenanalyse von 8 Patienten mit Infarkten des linken temporo-parietalen Kortex zeigt, dass die sprachliche Leistung über den gesamten Untersuchungszeitraum am stärksten mit Aktivierung im linken temporalen, periläsionellen Kortex korreliert.
Diskussion und Ausblick: Longitudinale fMRT-Untersuchungen von der akuten bis in die chronische Phase nach einem ischämischen Insult identifizieren dynamische Prozesse der Reorganisation im Sprachsystem. Dabei zeigt sich, dass in den verschiedenen zeitlichen Phasen unterschiedliche Mechanismen der infarzierten linken und gesunden rechten Hemisphäre zur sprachlichen Verbesserung beitragen. Zum tieferen Verständnis der Reorganisation von Sprache nach einem Schlaganfall sind weitere Analysen zur funktionellen Interaktion zwischen den einzelnen Netzwerkkomponenten sowie Untersuchungen zur Integrität der strukturellen Verbindungen des Netzwerkes notwendig.