DO - Deutsche Zeitschrift für Osteopathie 2008; 6(03): 1
DOI: 10.1055/s-0028-1083638
Editorial
Hippokrates Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG Stuttgart

Osteopathie – für wen?

N. N.
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Publication Date:
01 August 2008 (online)

Man kennt das aus einschlägigen Filmen und Carol Trowbridge beschreibt es auch in ihrem Buch „Andrew Taylor Still”: Es war einfach, sich im Wilden Westen Land zu nehmen. Man suchte sich einen geeigneten Platz aus und ließ sich als Eigentümer eintragen, baute ein Haus, setzte Zäune, rodete und machte das Land urbar. Das Leben war sehr hart. Von Still berichtet Trowbridge, dass er 60 ha Getreide anbaute und die gesamte Ernte durch einen Sturm mit einem halben Meter Hagel verlor. In der ungeordneten Gesellschaft dieser Zeit gab es auch Mitmenschen, die den neuen Landbesitzern ihre Habe streitig machten. Durch Indianerstämme, Banden von Gesetzeslosen und militärische Verbände war nicht nur das Eigentum, sondern auch das eigene Leben wie das von Angehörigen bedroht. Zitat Trowbridge: „Die Männer schliefen in den nahe gelegenen Büschen, ihre Sharp–Gewehre ängstlich umklammert.”

„Ha! Die Sache ist ja offensichtlich! Hier soll eine Parallele zur Lage der heutigen Osteopathen aufgezeigt werden!” Ja – stimmt! Aber welcher Osteopathen?

  • Die der amerikanischen Ärztlichen gegenüber den Nichtärztlichen im Rest der Welt? Diese Phase, vor zehn Jahren noch brandaktuell, scheint zwischenzeitlich (weitgehend) überwunden.

  • Ärztliche deutsche, die sich an amerikanischen Vorbildern orientieren, gegenüber nichtärztlichen deutschen Osteopathen? Ist noch nicht so ganz überwunden, aber wir sind auf dem Weg!

  • Die neuste Front heißt nichtärztliche deutsche Osteopathen gegen osteopathisch geschulte Hebammen.

Da geht der Berufsverband der Osteopathen, VOD, der sich jahrelang für eine möglichst bundeseinheitliche Vollausbildung stark gemacht hat, hin und kooperiert mit einer Einrichtung, die eine osteopathische Schmalspurausbildung an Hebammen vermittelt. Die Wellen der Empörung schlagen hoch in den einschlägigen Diskussionsforen. Billigkonkurrenz droht! Schließlich ist die Vollausbildung zum Osteopathen zeitlich und finanziell extrem aufwändig. Soll die ganze mühsame Aufbauarbeit umsonst gewesen sein? Wo bleibt die Qualität?!

Andererseits muss die Frage erlaubt sein, wem die Osteopathie eigentlich in erster Linie nützen soll, den Patienten oder den Therapeuten? Sollte also eine möglichst gute Verbreitung der Methode oder eher der Schutz von Wissensgut höher bewertet werden? Darüber lässt sich natürlich trefflich streiten und es wird kaum eine allgemeingültige Antwort geben. Tröstlich ist jedoch, dass sich erfahrungsgemäß die Qualität durchsetzt.

Man wird sich wohl an den Gedanken gewöhnen müssen, dass es auch Patienten gibt, die mehrere Therapeuten durchprobieren, bis sie „ihren” Osteopathen gefunden haben. Es wird nicht auszuschließen sein, dass Hebammen nach Abschluss der Ausbildung nicht nur Schwangere, sondern auch Säuglinge behandeln werden. Jeder Säugling, dem es danach besser geht, hat Glück gehabt. Die Überweisung von schwierigeren Fällen, die sich mit einer kurzen Ausbildung nicht lösen lassen, an erfahrenere Spezialisten sollte dann aber für einen professionellen Berufsstand eine Selbstverständlichkeit sein. So kann sich ein verträgliches Miteinander geben.

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