Man kennt das aus einschlägigen Filmen und Carol Trowbridge beschreibt es auch in
ihrem Buch „Andrew Taylor Still”: Es war einfach, sich im Wilden Westen Land zu nehmen.
Man suchte sich einen geeigneten Platz aus und ließ sich als Eigentümer eintragen,
baute ein Haus, setzte Zäune, rodete und machte das Land urbar. Das Leben war sehr
hart. Von Still berichtet Trowbridge, dass er 60 ha Getreide anbaute und die gesamte
Ernte durch einen Sturm mit einem halben Meter Hagel verlor. In der ungeordneten Gesellschaft
dieser Zeit gab es auch Mitmenschen, die den neuen Landbesitzern ihre Habe streitig
machten. Durch Indianerstämme, Banden von Gesetzeslosen und militärische Verbände
war nicht nur das Eigentum, sondern auch das eigene Leben wie das von Angehörigen
bedroht. Zitat Trowbridge: „Die Männer schliefen in den nahe gelegenen Büschen, ihre
Sharp–Gewehre ängstlich umklammert.”
„Ha! Die Sache ist ja offensichtlich! Hier soll eine Parallele zur Lage der heutigen
Osteopathen aufgezeigt werden!” Ja – stimmt! Aber welcher Osteopathen?
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Die der amerikanischen Ärztlichen gegenüber den Nichtärztlichen im Rest der Welt?
Diese Phase, vor zehn Jahren noch brandaktuell, scheint zwischenzeitlich (weitgehend)
überwunden.
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Ärztliche deutsche, die sich an amerikanischen Vorbildern orientieren, gegenüber nichtärztlichen
deutschen Osteopathen? Ist noch nicht so ganz überwunden, aber wir sind auf dem Weg!
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Die neuste Front heißt nichtärztliche deutsche Osteopathen gegen osteopathisch geschulte
Hebammen.
Da geht der Berufsverband der Osteopathen, VOD, der sich jahrelang für eine möglichst
bundeseinheitliche Vollausbildung stark gemacht hat, hin und kooperiert mit einer
Einrichtung, die eine osteopathische Schmalspurausbildung an Hebammen vermittelt.
Die Wellen der Empörung schlagen hoch in den einschlägigen Diskussionsforen. Billigkonkurrenz
droht! Schließlich ist die Vollausbildung zum Osteopathen zeitlich und finanziell
extrem aufwändig. Soll die ganze mühsame Aufbauarbeit umsonst gewesen sein? Wo bleibt
die Qualität?!
Andererseits muss die Frage erlaubt sein, wem die Osteopathie eigentlich in erster
Linie nützen soll, den Patienten oder den Therapeuten? Sollte also eine möglichst
gute Verbreitung der Methode oder eher der Schutz von Wissensgut höher bewertet werden?
Darüber lässt sich natürlich trefflich streiten und es wird kaum eine allgemeingültige
Antwort geben. Tröstlich ist jedoch, dass sich erfahrungsgemäß die Qualität durchsetzt.
Man wird sich wohl an den Gedanken gewöhnen müssen, dass es auch Patienten gibt, die
mehrere Therapeuten durchprobieren, bis sie „ihren” Osteopathen gefunden haben. Es
wird nicht auszuschließen sein, dass Hebammen nach Abschluss der Ausbildung nicht
nur Schwangere, sondern auch Säuglinge behandeln werden. Jeder Säugling, dem es danach
besser geht, hat Glück gehabt. Die Überweisung von schwierigeren Fällen, die sich
mit einer kurzen Ausbildung nicht lösen lassen, an erfahrenere Spezialisten sollte
dann aber für einen professionellen Berufsstand eine Selbstverständlichkeit sein.
So kann sich ein verträgliches Miteinander geben.
Die Herausgeber