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DOI: 10.1055/s-0028-1082352
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York
Lebensqualität bei Alzheimer-Demenz sichern - Wirksame Sensibilisierung der Nikotinrezeptoren durch Galantamin
Publication History
Publication Date:
31 July 2008 (online)
Der Biochemiker und Molekularbiologe Prof. em. Alfred Maelicke hat maßgeblich dazu beigetragen, den Wirkmechanismus von Galantamin aufzuklären. Seit er 2003 die Universität Mainz verließ, arbeitet er als Geschäftsführer/Chief Executive Officer (CEO) des Biotechnologieunternehmens Galantos Pharma GmbH weiter an Galantamin und verwandten Substanzen zur Behandlung der Alzheimer-Demenz.
Prof. em. Alfred Maelicke
? Sehr geehrter Herr Prof. Maelicke, in Deutschland werden Alzheimer-Patienten nur zurückhaltend behandelt. Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang die Bewertung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) zum Nutzen der Acetylcholinesteraseinhibitoren?
Prof. Alfred Maelicke: Zunächst muss man wissen, dass nicht nur in Deutschland sondern weltweit bisher nur etwa jeder vierte Alzheimer-Patient mit Antidementiva behandelt wird, obwohl die vorliegenden Daten eindeutig positive Wirkungen von Acetylcholinesteraseinhibitoren (AChEI) in den Domänen Kognition und globales Verhalten zeigen.
Auch das IQWiG bestätigt den klinischen Nutzen von Acetylcholinesteraseinhibitoren für diese Parameter und für Galantamin zusätzlich auch eine Verbesserung der psychiatrischen Verhaltenssymptome, der Lebensqualität der betreuenden Angehörigen und des Betreuungsaufwands.
? Was halten Sie für die Ursache, dass das IQWiG nur für Galantamin eine besondere Wirkung auf psychopathologische Symptome, Lebensqualität der Angehörigen und Betreuungsaufwand festgestellt hat?
Maelicke: Es ist zum einen ein glücklicher Umstand, dass schon frühzeitig Studien zu Galantamin auf diese "weichen" Parameter fokussiert haben. Zum anderen unterscheidet sich Galantamin im Wirkmechanismus deutlich von den anderen zugelassenen Acetylcholinesteraseinhibitoren, da es die nikotinerg-cholinerge Neurotransmission verbessert, die bei Alzheimer-Patienten erheblich verschlechtert ist.
? Ist die direkte Sensibilisierung der Nikotinrezeptoren im Gehirn klinisch relevant?
Maelicke: Galantamin wirkt im Wesentlichen als Sensibilisator der Nikotinrezeptoren - die während der Alzheimer-Demenz ja drastisch und zunehmend verloren gehen - und kann so die Kognition, die Aufmerksamkeit und das Verhalten entscheidend verbessern. Galantamin bzw. ein dieses enthaltender pflanzlicher Extrakt wird schon viele Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte in manchen Ländern als Volksmedizin gegen das frühzeitige Altern verwendet, was auf seine günstige Wirkung bei den angesprochenen weichen Parametern hinweist.
Galantamin hat den Vorteil, dass es ein Acetylcholinesteraseinhibitor ist, der eine einzigartige, direkt stimulierende Wirkung auf Nikotinrezeptoren besitzt.
? Welche Rolle spielt Glutamat für Gedächtnis und Lernfähigkeit der Patienten?
Maelicke: Glutamat ist der wichtigste Neurotransmitter zur Kontrolle des Kurzzeitgedächtnisses. Galantamin fördert das Lernen und das Gedächtnis, indem es auf Nikotinrezeptoren wirkt, die präsynaptisch auf glutamatergen und dopaminergen Neuronen sitzen und durch Förderung der Ausschüttung von Glutamat und Dopamin Aufmerksamkeit und Lernen wesentlich erhöhen. Bildgebende Studien zeigen zudem, dass unter Galantamin als Folge der Aktivierung von Nikotinrezeptoren die Glukoseaufnahme in die Gehirnzellen, besonders im frontalen Kortex, heraufreguliert wird. Der Stoffwechsel von Hirnarealen, die für das Lernen notwendig sind, wird also aktiviert.
? Wie zeigt sich dies im klinischen Alltag?
Maelicke: Unter Galantamin kommt es auffällig häufig zu einer Reduktion der für Alzheimer-Patienten typischen Apathie. Patienten mit Alzheimer-Demenz können sich durch bessere geistige Wachheit selbst wieder besser versorgen und am sozialen Leben aktiver teilnehmen. Das wirkt sich natürlich auch in einem verringerten Pflegeaufwand aus.
? Könnten diese Ergebnisse dazu beitragen, die Versorgungssituation zu verbessern?
Maelicke: Richtig wäre, jeden Patienten so früh wie möglich und mit der für ihn geeigneten optimalen Dosierung an verfügbaren Mitteln (Galantamin, AChEI) zu behandeln, um die Symptome möglichst umgehend zu stoppen und einer weiteren Entwicklung der Erkrankung vorzubeugen. Auch wenn eine Heilung mit der heutigen Generation von Arzneimitteln noch nicht möglich ist, geht es um jedes gewonnene Jahr an Lebensqualität, das man damit erreichen kann. Den klinischen Symptomen der Alzheimer-Demenz geht eine mehrere Jahrzehnte andauernde Phase einer unsymptomatischen Neurodegeneration voraus. Im Grunde ist eine Behandlung ab dem Auftreten der Symptome unverantwortlich spät. Die Krankheit sollte so früh wie möglich behandelt werden, damit den Symptomen der Erkrankung bestmöglich vorgebeugt wird.
! Herr Prof. Maelicke, vielen Dank für das Gespräch.