Klin Monbl Augenheilkd 2025; 242(12): 1200-1210
DOI: 10.1055/a-2737-3576
Klinische Studie

Stellenwert von Tocilizumab bei der Behandlung der endokrinen Orbitopathie – Ergebnisse einer retrospektiven Analyse in einem tertiären Überweisungszentrum

Article in several languages: English | deutsch

Authors

  • Inga Neumann

    1   Augenklinik, Universität Duisburg-Essen, Universitätsmedizin Essen, Deutschland
  • Ying Chen

    1   Augenklinik, Universität Duisburg-Essen, Universitätsmedizin Essen, Deutschland
  • Dagmar Fuehrer-Sakel

    2   Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Stoffwechsel, Universität Duisburg-Essen, Duisburg, Deutschland
  • Michael Oeverhaus

    1   Augenklinik, Universität Duisburg-Essen, Universitätsmedizin Essen, Deutschland
  • Julia Messner

    2   Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Stoffwechsel, Universität Duisburg-Essen, Duisburg, Deutschland
  • Sera Sarim

    3   Augenklinik, Evangelische Krankenhaus Essen-Werden, Essen, Deutschland
  • Anja Eckstein

    1   Augenklinik, Universität Duisburg-Essen, Universitätsmedizin Essen, Deutschland

Zusammenfassung

Hintergrund Aufgrund des variablen Verlaufs der endokrinen Orbitopathie (EO) sollte die Therapie individuell an den Schweregrad, die Risikofaktoren und den Krankheitsverlauf der Patienten angepasst werden. Anhand der Ergebnisse einer retrospektiven Analyse am Orbitazentrum der Universitätsaugenklinik Essen zeigt diese Studie die Wirksamkeit des IL-6-Rezeptorblockers Tocilizumab als Second-Line-Therapie bei therapierefraktärer EO.

Patienten/Methoden Nach Klärung der Kostenübernahme wurden 20 Patienten über einen Zeitraum von 4,8 ± 2,7 Monaten mit Tocilizumab behandelt. Erfasst wurden folgende Parameter: Geschlecht, Alter, begleitende Schilddrüsenerkrankung, Aktivität und Schweregrad der EO, Vortherapien, Visus, Augendruck, Lidstellung, Exophthalmus, monokuläre Exkursionen und Schielstellung/Diplopie, Spiegel der TSH-Rezeptor-Antikörper (TRAK) und Nebenwirkungen.

Ergebnisse Das Geschlechtsverhältnis betrug 3 : 1 (F : M). Das durchschnittliche Alter betrug 58,2 ± 8,5 Jahre. Die überwiegende Mehrheit (90%, n = 18) litt an Morbus Basedow; je ein Patient wies eine primäre Hypothyreose bzw. einen euthyreoten Stoffwechsel auf. Alle Patienten waren zuvor ohne Erfolg unterschiedlich behandelt worden (kumulative Steroiddosis im Median 4,6 g [1,5 – 7,5 g], 55% Mycophenolat, 65% Orbitaspitzenbestrahlung, 20% balancierte Orbitadekompression). Von 17 Patienten mit nachweisbaren TRAK zum Beginn der Tocilizumab-Therapie betrug der mittlere Rückgang der TRAK-Spiegel 48,4%. Eine Reduktion von mindestens 30% wurde bei 70,6% der Patienten (n = 17) erreicht. Eine Reduktion des Clinical Activity Score (CAS) um ≥ 2 Punkte wurde bei 70% beobachtet. Der mittlere Inflammationsscore (maximal 20 Punkte pro Patient) sank von 8,8 ± 3,9 Punkte auf 3,4 ± 2,4 Punkte. Die Wirkung auf den Exophthalmus war moderat: im Durchschnitt zeigte sich eine Reduktion um 0,9 mm ± 1,8 mm (Spanne − 6 mm – + 3 mm). Eine Reduktion um ≥ 2 mm wurde bei 25% der Patienten erreicht. Eine Zunahme des Exophthalmus wurde in 12,5% (0,5 – 3 mm) gesehen.

Eine Verbesserung der Augenmotilität wurde bei 22,5% der Patienten dokumentiert, jedoch auch in 10% Verschlechterung.

Diskussion Diese Kohorte umfasst durchweg therapierefraktäre Patienten mit zum Teil langer Krankheitsdauer. Die signifikante Reduktion der Entzündung und insbesondere der TRAK-Spiegel als Biomarker der Krankheitsaktivität belegen die Wirksamkeit von Tocilizumab bei dieser speziellen Kohorte. Damit ist Tocilizumab ein wichtiger Kandidat für eine Therapie bei Patienten mit hohen Antikörperwerten und vorwiegend inflammatorischen Erkrankungszeichen. In weiteren Studien muss überprüft werden, ob es das Rezidivrisiko nach erfolgreicher Behandlung mit einem IGF-1-Rezeptorblocker senkt.



Publication History

Received: 15 July 2025

Accepted: 28 October 2025

Accepted Manuscript online:
03 November 2025

Article published online:
12 December 2025

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