Tierarztl Prax Ausg G Grosstiere Nutztiere 2025; 53(01): 39-48
DOI: 10.1055/a-2518-1976
Stellungnahme

Stellungnahme zur Wirksamkeit und immunologischen Sicherheit von EHV-Impfstoffen bei Pferden

Statement on the efficacy and immunological safety of EHV vaccines in horses Arbeitskreis Pferde der Ständigen Impfkommission Veterinärmedizin (StIKo Vet)
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Zusammenfassung

Im Februar 2021 kam es bei einer internationalen Pferdesportveranstaltung in Valencia zu einem schweren EHV-1-Ausbruch mit etlichen Folgeausbrüchen in verschiedenen, europäischen Ländern. Dies rückte die Impfung gegen EHV-1 sehr stark in den Fokus. Etliche Pferdesportverbände führten eine Pflichtimpfung gegen EHV-1 ein, und in unmittelbarer Folge des Ausbruchs kam es zu einem sprunghaften Anstieg der Nachfrage nach EHV-Impfungen. Die anfängliche Besorgnis ist mittlerweile verflogen. Ein Pferdesportverband hat die erst ein Jahr zuvor eingeführte Pflichtimpfung wieder abgeschafft, und es wird in vermehrtem Maße die Frage nach der Wirksamkeit und Verträglichkeit der EHV-Impfung diskutiert. Dazu beigetragen haben in internationalen Fachzeitschriften erschienene Metastudien, in denen veröffentlichte EHV-1-Impf- und -Infektionsstudien systematisch und umfassend nachuntersucht wurden. Dabei wurden für die Humanmedizin entwickelte Beurteilungsschemata von präklinischen Studien angelegt. Gemessen an diesen Beurteilungskriterien wurde geschlossen, dass die Qualität der veröffentlichten Daten nicht ausreicht, um die Wirksamkeit der EHV-Impfstoffe zweifelsfrei zu belegen. Der Umkehrschluss, dass die EHV-Impfstoffe nicht wirksam sind, lässt sich daraus nicht ableiten! Im Gegenteil, eines der Autorenteams dieser Metastudien hält daran fest, dass die Impfung ihren Platz im EHV-Management behalten muss.

Die StIKo Vet hat die Diskussion und die Metastudien aufmerksam zur Kenntnis genommen. Die Kommission geht nicht davon aus, dass in näherer Zukunft andere, den für humanmedizinische, präklinische Laborstudien entwickelten Bewertungskriterien genügende Infektionsstudien an Pferden durchgeführt werden. Aufgrund der Tatsache, dass EHV-Infektionsstudien an Pferden erhebliche ethische, logistische und ökonomische Herausforderungen bergen, ist dies auch nicht uneingeschränkt zu fordern. Stattdessen hat die StIKo Vet die existierenden Impf- und Infektionsstudien zu EHV-Impfstoffen im Rahmen der hier vorliegenden Stellungnahme einer eigenen Sichtung unterzogen. Zudem wurden veröffentlichte EHV-Ausbruchsuntersuchungen mit Blick auf die Rolle der EHV-Impfung als ein Risikofaktor für die Entstehung schwerer klinischer Verläufe überprüft.

Auch wenn die Impfung gegen EHV-1 dem geimpften Einzeltier keinen absoluten Schutz vor Infektion und Erkrankung vermittelt, zeigen die Studien in der Gesamtschau hochsignifikante Unterschiede zwischen geimpften und ungeimpften Tieren: Die Impfung reduziert die Schwere der Erkrankung und vor allem die Dauer und Höhe der Virusausscheidung. Durch die konsequente Impfung ganzer Bestände kann die Viruslast gesenkt, und es können so mögliche Infektionsketten unterbrochen werden. Ein gesicherter Zusammenhang zwischen der EHV-Impfung und dem Auftreten neurologischer Symptome nach EHV-Infektion lässt sich aus den beschriebenen Ausbruchsuntersuchungen nicht ableiten. Dagegen zeigt eine umfassende Analyse mehrerer unterschiedlicher Ausbruchsgeschehen, dass eine Impfquote von über 40% im Bestand das Risiko neurologische Symptome zu entwickeln um etwa die Hälfte senken kann. Unabhängig von der Bewertung der o.g. Metastudien sei auch darauf hingewiesen, dass für alle Impfstoffe im Rahmen der Zulassung experimentelle Studien vorgelegt wurden, die den Vorgaben der entsprechenden Monographie der Europäischen Pharmakopöe genügen müssen. Die Ergebnisse der Zulassungsstudien finden ihren Niederschlag in den Gebrauchsinformationen. Dort sind ausschließlich Sachverhalte aufgeführt, die entsprechend belegt wurden.

Die StIKo Vet hält daher an der Empfehlung zu einer möglichst flächendeckenden EHV-Impfung fest. Nach Möglichkeit soll jedes Pferd zu jeder Zeit über einen Impfschutz gegen EHV-1 verfügen. Bei einer hohen Viruslast und zusätzlichen, prädisponierenden Faktoren kann es trotz Impfung zu EHV-Ausbrüchen kommen. Neben der Impfung dürfen daher andere Maßnahmen der Seuchenprävention nicht außer Acht gelassen werden. Dazu gehören eine transparente Ausbruchskommunikation, allgemeine Hygienemaßnahmen, die Vermeidung gemeinsamer Aufstallung in nicht ausreichend belüfteten Innenräumen, insbesondere bei Veranstaltungen mit Pferden, soweit möglich die Separierung von Tieren aus verschiedenen Beständen und v. a. die Absonderung bereits erkrankter oder besonders infektionsgefährdeter Pferde.

Abstract

In February 2021, a serious EHV-1 outbreak occurred at an international jumping competition in Valencia, with several subsequent outbreaks in various European countries. As a consequence, several equestrian associations introduced compulsory vaccination against EHV-1, and in the immediate aftermath of the outbreak, demand for EHV vaccinations increased sharply. The initial concern has now dissipated. One equestrian association has abolished the compulsory vaccination that had only been introduced a year before, and a general debate began questioning the efficacy and safety of EHV-vaccines. This discussion has been fueled by international meta-studies that systematically re-evaluated published efficacy studies on EHV-vaccines. The meta-studies applied evidence criteria that were originally designed for preclinical studies in human medicine. It was concluded that the quality of the published data was not sufficient to prove the efficacy of EHV vaccines. Naturally, lack of evidence does not prove the opposite! Hence, one of the two author teams of these meta-studies upholds the notion that vaccination is a centerpiece of comprehensive EHV management strategies.StIKo Vet has carefully followed the discussions and the meta-studies. It cannot be expected that other infection studies on horses meeting the evidence criteria will be conducted in the near future, as EHV infection studies on horses pose considerable ethical, logistical and economic challenges. Therefore, StIKo Vet has undertaken an own re-evaluation of the existing efficacy studies. In addition, outbreak investigations were reviewed with regard to the role of EHV vaccination as a risk factor for the development of severe clinical courses.StIKo Vet concludes that, even if vaccination against EHV-1 does not confer absolute protection to the vaccinated individual, the re-evaluated studies show highly significant differences between vaccinated and unvaccinated animals: Vaccination reduces the severity of clinical symptoms and the duration and level of virus excretion. Herd vaccination can reduce overall viral loads and thus interrupt infection chains. There is ample reason to assume vaccine efficacy, but no compelling evidence was found for a correlation between EHV vaccination and severe EHV symptoms. By contrast, a comprehensive analysis of several different outbreaks shows that a herd immunity over 40 % is able to significantly reduce the risk for neurological symptoms. In addition, it has to be emphasized that the safety and efficacy of EHV-vaccines is stringently evaluated during the marketing authorization process. Only facts that have appropriately been proven in licensing studies are documented in the summary of product characteristics, e.g. the packaging leaflet. StIKo Vet therefore upholds EHV as a core-vaccination for horses. Every horse should be vaccinated and protected against EHV-1 at all times. It is likewise clear that with high viral loads and additional predisposing factors, EHV outbreaks occur despite vaccination. So, vaccination is only one component: A comprehensive prevention strategy additionally includes transparent outbreak communication, general hygiene measures, avoiding shared housing in insufficiently ventilated stables, especially at competition events, separating animals of different origin wherever possible and, above all, isolating horses that are already sick or at particular risk of infection.

2 Für die Berechnung der Odds Ratio für die ersten vier Risikofaktoren wurden jeweils die zwölf alten sowie die zwölf jungen, mit dem neuropathogenen Stamm infizierten Stuten herangezogen. Für die Untersuchung der Rolle des Infektionsvirus wurden zwölf alte, mit dem neurotropen Virus infizierte und zwölf alte mit einem Abortstamm infizierte Stuten verglichen. Die Höhe der Virämie wurde in der Originalpublikation nach der ∆∆Ct-Methode mittels qPCR als relativer Wert ermittelt. Logarithmiert bewegen sich die Werte zwischen 0 und 4,5. CTL-Antworten wurden mittels Grenzverdünnung bestimmt. Die Angaben beziehen sich auf 1 x 106 PBMCs. Die Werte bewegen sich zwischen 0 und 160. Neutralisierende Antikörper wurden mittels Mikroneutralisationstest bestimmt. Die Werte bewegen sich zwischen 0 und 70.




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Article published online:
18 February 2025

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