Klin Monbl Augenheilkd 2024; 241(12): 1335-1340
DOI: 10.1055/a-2239-6394
Klinische Studie

Ist die exsudative neovaskuläre AMD eine chronische Erkrankung? Analyse von Langzeitverläufen unter einer Anti-VEGF-Therapie

Article in several languages: English | deutsch

Authors

  • Marie-Louise Gunnemann

    1   Augenärzte, Detmold, Deutschland
    2   Augenklinik, Klinikum Bielefeld Rosenhöhe, Bielefeld, Deutschland
  • Martin Ziegler

    3   Augenzentrum am St. Franziskus-Hospital Münster, Deutschland
  • Marius Book

    4   MVZ OSG Augenzentrum Siegburg, Deutschland
  • Frederic Gunnemann

    1   Augenärzte, Detmold, Deutschland
  • Kai Rothaus

    5   Retinologie, Augenzentrum am St. Franziskus-Hospital Münster, Deutschland
  • Georg Spital

    3   Augenzentrum am St. Franziskus-Hospital Münster, Deutschland
  • Matthias Gutfleisch

    3   Augenzentrum am St. Franziskus-Hospital Münster, Deutschland
  • Clemens Lange

    3   Augenzentrum am St. Franziskus-Hospital Münster, Deutschland
  • Albrecht Peter Lommatzsch

    3   Augenzentrum am St. Franziskus-Hospital Münster, Deutschland
  • Daniel Pauleikhoff

    3   Augenzentrum am St. Franziskus-Hospital Münster, Deutschland
Preview

Zusammenfassung

Hintergrund Die Anti-VEGF-Therapie ist die Standardtherapie bei der exsudativen neovaskulären altersabhängigen Makuladegeneration (nAMD), deren Ursache die Entwicklung einer makulären Neovaskularisation (MNV) mit assoziierter Flüssigkeitsexsudation ist. Die therapeutischen Strategien (T&E oder PRN) gingen von einer narbigen Transformation der MNV aus und Exit-Strategien wurden dementsprechend formuliert. Die vorliegende Studie untersucht als Real-Life-Langzeitanalyse diese Hypothese.

Patienten 150 Augen von 97 Patienten wurden über ein mittleres Follow-up von 5,1 Jahren (1 – 14 Jahre) nach Beginn einer Anti-VEGF-Therapie zwischen 2009 und 2017 kontinuierlich bis 2022 nachbeobachtet. Behandelt wurde nach PRN-Schema analog der IVAN-Studie mit Ranibizumab, Aflibercept oder Bevacizumab. Ausgewertet wurden Länge und Intensität der Therapie.

Ergebnisse Von den 150 Augen benötigten 119 Augen (79,3%) eine fortlaufende Anti-VEGF-Therapie, während bei 18 Augen (12,0%) die Therapie aufgrund einer Stabilisierung der Situation beendet werden konnte. Bei 13 Augen (8,7%) wurde die Therapie aufgrund einer Visusverschlechterung auf ein Sehvermögen < 0,05 abgebrochen. Bei fortlaufender Therapie zeigte sich häufig eine lange Therapiedauer mit Therapieindikation beim letzten dokumentierten Arztbesuch, während eine Stabilisierung oft innerhalb der ersten 2 Behandlungsjahre erreicht wurde. Die Therapieintensität nahm vor allem nach 2013 mit Einführen der OCT-basierten Behandlungskriterien auf 7,7 – 8,0 Injektionen/Jahr zu. Die meisten Augen (74,8%) mit fortlaufender Therapie benötigten 6 – 9 Injektionen/Jahr auch noch in den letzten 3 Behandlungsjahren.

Schlussfolgerung Die Tatsache, dass in der vorliegenden Studie erneut bei der Therapie der exsudativen nAMD bei einem Großteil der Patienten (ca. 80%) eine langfristige und intensive Therapienotwendigkeit beobachtet wurde, unterstützt die Einschätzung, dass die nAMD als eine chronische Erkrankung anzusehen ist. Daher erscheint eine proaktive Behandlungsstrategie mit konsequenter Therapie bei jeglichen Aktivitätszeichen sinnvoll. Insbesondere im Hinblick auf die Gefahr des irreversiblen Visusverlusts ist zudem die Langzeitadhärenz der Patienten für ein bestmögliches langfristiges Therapieergebnis entscheidend.

Fazit

Bereits bekannt:

Die bisherigen PRN- und T&E-Behandlungsstrategien der Anti-VEGF-Therapie bei der nAMD erhofften eine Vernarbung der MNV und Beendigung der Therapie. Um dies im klinischen Alltag zu analysieren, wurde in der vorliegenden Studie die Behandlungsnotwendigkeit im Langzeitverlauf untersucht.

Neu beschrieben:

Bei einem Großteil der Patienten (ca. 80%) war in der vorliegenden Studie eine langfristige und intensive Therapie mit 6 – 9 Injektionen auch nach vielen Jahren bis zum letzten dokumentierten Arztbesuch notwendig und auch nach dieser langen Behandlungszeit war bei Therapieunterbrechung ein massives Auftreten von Exsudationen und folgendem Visusverlust möglich. Dies deutet erneut darauf hin, dass die exsudative nAMD eine chronische Erkrankung ist mit jahrelanger Therapienotwendigkeit. Eine konsequente Therapie bei jeglichen Aktivitätszeichen flankiert mit Initiativen zur kontinuierlichen Patientenadhärenz erscheint daher empfehlenswert, um einen irreversiblen Visusverlust auch nach Jahren zu vermeiden.

Conclusion

What we already know:

The previous PRN and T&E treatment strategies for anti-VEGF therapy in nAMD patients were aimed at achieving scarring of the MNV, enabling discontinuation of treatment. In order to analyze this in everyday clinical practice, in this study we investigated the need for treatment over the long term.

Newly described:

In the majority of patients (approx. 80%) who participated in this study, long-term, intensive therapy with 6 – 9 injections was seen to be necessary even after many years, up until their last documented visit to the doctor, and even after this prolonged treatment period, occurrence of massive exudation and subsequent loss of visual acuity was possible if treatment was interrupted. This again indicates that exudative nAMD is a chronic disease that requires years of treatment. It therefore seems advisable for patients to receive consistent treatment in the event of any signs of activity, accompanied by initiatives for continuous patient adherence, in order to avoid irreversible loss of visual acuity that can occur even years later.



Publication History

Received: 23 November 2023

Accepted: 28 December 2023

Accepted Manuscript online:
05 January 2024

Article published online:
03 July 2024

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