Zusammenfassung
Einleitung Schutz vor Diskriminierung ist ein Menschenrecht. Dennoch belegen empirische Studien,
dass bestimmte soziale Gruppen, etwa trans Personen, Diskriminierung im Gesundheitswesen
erfahren. Wie
kann es dazu kommen?
Forschungsziele Wir haben am Beispiel der medizinischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen
mit Geschlechtsinkongruenz/Geschlechtsdysphorie (GI/GD) untersucht, vor welchen spezifischen
Herausforderungen Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen stehen, was sie unter Diskriminierung
verstehen
und wie sie mit den Minderjährigen umgehen.
Methoden Das Projekt folgt methodologisch einem empirisch-ethischen Ansatz. Es wurden 17
leitfadengestützte, qualitative Expert*inneninterviews mit Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen
in
Deutschland geführt, die professionellen Kontakt zu Kindern und Jugendlichen mit GI/GD
haben oder hatten.
Die Interviews wurden mithilfe der thematischen Inhaltsanalyse ausgewertet. Es wurde
eine Begriffsmatrix
zu „Diskriminierung“ genutzt, um spezifische Diskriminierungsrisiken zu identifizieren.
Interessenverbände waren an der Studie beratend beteiligt.
Ergebnisse Die Interviewten sehen sich mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert, wenn
sie
Minderjährige mit GI/GD psychotherapeutisch oder medizinisch begleiten. Dazu zählen
etwa das ethische
Spannungsfeld zwischen Fürsorgeverantwortung für Kinder/Jugendliche und Respekt für
ihre
Behandlungswünsche, das Ringen mit professionellen Organisations-, Behandlungs- und
Sprachroutinen sowie
technischen Hindernissen. Während einige der Befragten mit hohem Engagement nach Wegen
suchen, um diese
Herausforderungen zu bewältigen, greifen andere auf destruktive Bewältigungsstrategien
wie Victim
Blaming zurück.
Schlussfolgerung Die Ergebnisse lassen neue Rückschlüsse auf spezifische Gefahren der
Diskriminierung für Kinder und Jugendliche mit GI/GD im Gesundheitswesen zu. Professionell
Tätige sind
dafür zu sensibilisieren, dass insbesondere professionelle Routinen eigene Diskriminierungsrisiken
für
ihre minderjährigen Patient*innen mit GI/GD erzeugen. Fortbildungs- und institutionelle
Unterstützungsangebote sollten das berücksichtigen. Es ist allerdings auch eine gesamtgesellschaftliche
Aufgabe, die sozialen und institutionellen Handlungsbedingungen von Ärzt*innen und
Psychotherapeut*innen
so zu gestalten, dass sie einer diskriminierungssensiblen Gesundheitsversorgung dienlich
sind.
Abstract
Introduction Non-discrimination is a human right. Yet empirical studies suggest that certain
social groups, such as trans people, experience discrimination in the health care
system. Why is
that?
Objectives We address this question by focusing on the health care of children and adolescents
with gender incongruence / gender dysphoria (GI/GD). We investigate the specific challenges
medical and
mental health professionals face, how they understand discrimination, and how they
interact with the
particular client group.
Methods Methodologically, the study follows an empirical-ethical approach. 17 guided, qualitative
expert interviews were conducted with medical and mental health professionals who
have or have had
professional contact with children and adolescents with GI/GD in Germany. They were
analyzed according to
the rules of thematic content analysis. With the help of a conceptual matrix on discrimination,
specific
discrimination risks were identified. Advocacy groups were involved in the study in
an advisory
capacity.
Results The interviewees face numerous challenges when providing therapeutic or medical care
to
minors with GI/GD. These include the ethical tension between protecting minors and
respecting their
wishes, having to cope with professional work and language routines, and technical
challenges. While some
professionals are deeply committed to overcoming these challenges, others resort to
inappropriate coping
strategies such as victim blaming.
Conclusion Our results provide new insights into the risks of discrimination which children
and
adolescents with GI/GD face in health care. Professionals must be sensitized to the
fact that
professional routines in particular pose specific discrimination risks. Educational
programs and
institutional support services should be tailored to these needs. However, it remains
a task for society
as a whole to provide a social and institutional context for health care professionals
that promotes
non-discriminatory health care.
Schlüsselwörter Diskriminierung - Ethik - Gesundheitsversorgung - Kindheit und Jugend - Transgender
Keywords childhood and adolescence - discrimination - ethics - health care - transgender