Klin Monbl Augenheilkd 2022; 239(12): 1473-1477
DOI: 10.1055/a-1901-1011
Kasuistik

Spezifische OCT-Veränderungen bei einer neuen Mutation im RS1-Gen bei X-chromosomal-rezessiver Retinoschisis

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Andrea Magdalena Waibel
1   Augenheilkunde, PraxisKlinik Augenärzte am Markt, Halle/Saale, Deutschland
,
Johanna Mirjam Stoye
1   Augenheilkunde, PraxisKlinik Augenärzte am Markt, Halle/Saale, Deutschland
,
Pablo Villavicencio-Lorini
2   Institut für Humangenetik, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle/Saale, Deutschland
,
Katrin Hoffmann
2   Institut für Humangenetik, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle/Saale, Deutschland
,
Carolin Obermaier
3   Humangenetik, Praxis für Humangenetik Tübingen, Deutschland
,
Saskia Biskup
3   Humangenetik, Praxis für Humangenetik Tübingen, Deutschland
,
Claudia Grünauer-Kloevekorn
1   Augenheilkunde, PraxisKlinik Augenärzte am Markt, Halle/Saale, Deutschland
4   Medizinische Fakultät, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle/Saale, Deutschland
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Zusammenfassung

Die X-chromosomal rezessive Retinoschisis (XLRS) ist eine seltene vitreoretinale Dystrophie, die durch molekulargenetische Veränderungen im RS1-Gen ausgelöst wird. Sie manifestiert sich meist in jungem Lebensalter mit einer symmetrisch auftretenden Spaltung unterschiedlicher Schichten der Netzhaut und führt zu einer erheblichen Visusminderung. Die richtige Diagnosestellung im höheren Lebensalter gelingt wegen unspezifischer OCT-Veränderungen nur selten. Wir berichten über die morphologischen Veränderungen im OCT in unterschiedlichen Lebensabschnitten bei einer Familie mit XLRS und einer bislang nicht beschriebenen Mutation im RS1-Gen. Unser 78-jähriger Indexpatient stellte sich mit seit der Kindheit bestehenden Sehstörungen vor. Wir führten bei ihm, seiner klinisch nicht betroffenen Tochter und deren klinisch betroffenem Sohn nach ausführlicher Anamnese, vollständiger klinischer Untersuchung und Messung mit dem SD-OCT eine genetische Keimbahndiagnostik an DNA aus Blut durch. In der OCT-Untersuchung des Indexpatienten zeigten sich beidseits unspezifische atrophische Veränderungen der Makula. Bei dem 8-jährigen Enkel zeigte sich funduskopisch die typische Sternform der Makula. Im OCT war eine typische Retinoschisis der Makula sichtbar. Die genetische Untersuchung wies die bisher nicht beschriebene pathogene Variante c.487T>G; p.Trp163Gly im RS1-Gen bei allen 3 Patienten nach. Auch bei der neu entdeckten RS1-Mutation zeigt sich im Kindesalter das typische Fundusbild und OCT-Muster, die bei dem 78-jährigen Patienten fehlen. An unserem Fall zeigt sich, dass gerade bei unspezifischen Veränderungen im OCT eine ausführliche Familienanamnese den wichtigen Hinweis für X-chromosomal-rezessive Vererbung und damit für eine entsprechende molekulargenetische Diagnostik liefern kann und so seltene Netzhauterkrankungen auch im höheren Alter diagnostiziert werden können.



Publication History

Received: 17 March 2022

Accepted: 05 July 2022

Article published online:
09 December 2022

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