Diabetologie und Stoffwechsel 2022; 17(02): 112
DOI: 10.1055/a-1772-7288
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Kommentar zu Nicht nur Kohlenhydrate bestimmen den postprandialen Blutzucker

Contributor(s):
Diana Rubin

Die Studie bestätigt in Fachkreisen bekanntes, aber wissenschaftlich weniger gut untersuchtes Wissen, bezüglich des Einflusses der Mahlzeitenzusammensetzung über den reinen Kohlenhydratgehalt hinaus auf die postprandiale Glukoseantwort. Vielmehr wird auch die Art der Kohlenhydrate und der Gehalt an Protein und Fett in der Mahlzeit mit in die Analyse eingeschlossen.

Dieses in methodisch aufwendigem und validem Stil durch die Analyse von Ernährungstagebüchern in Kombination mit Real-time Glukosemessung und Insulindosierung mittels closed-loop-Systemen.

Die wichtigste Erkenntnis aus dieser Arbeit ist, dass die gängigen Algorithmen der closed-loop-Systeme Mahlzeiten in Abhängigkeit von ihrer Zusammensetzung intraindividuell unterschiedlich gut antizipieren können. Insbesondere die Modellierung der (italienischen) Frühstücks-Mahlzeiten mit reichlich einfachen Kohlenhydraten war offenbar unzureichend, da die time-in-range hier weniger gut war als bei Mahlzeiten mit einer größeren Menge an komplexen Kohlenhydraten, sowie mehr Protein und Fett (italienisches Mittag- und Abendessen). Ernährungsmedizinisch interessant ist noch, dass sogar die Art des Proteins (pflanzlich oder tierisch) relevant in Bezug auf die Glykämie sein könnte.

Diese Ergebnisse bestätigen die praktische Erfahrung vieler Patienten, dass sich die Glukoseantwort zum einen nicht allein durch Berechnung der Kohlenhydrataufnahme abschätzen lässt und dass selbst die Einbeziehung der weiteren Makronährstoffe zum Beispiel durch den Einsatz von Fett-Protein-Einheiten (FPE) nicht immer zu den erwünschten Blutzuckerwerten führt.

Dieses Ergebnis ist auch als Entlastung zu verstehen für die vielen offenen Fragen, die sich in der praktischen Diabetologie stellen. Es konnte klar herausgearbeitet werden, dass es eben nicht am Unvermögen der Berechnungsfähigkeit von Insulineinheiten der PatientInnen liegen muss, wenn postprandiale BZ-Werte nicht korrekt antizipiert werden.

In Zukunft wäre es wünschenswert, dass die Technik der Algorithmen in closed-loop-Systemen sich so weiterentwickelt, dass auch schnelle Glukoseanstiege ausreichend antizipiert werden und möglicherweise auch „lernende“ Systeme sich den Bedingungen der Nutzer individuell anpassen.



Publication History

Article published online:
04 April 2022

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