Klin Monbl Augenheilkd 2022; 239(01): 57-63
DOI: 10.1055/a-1721-2375
Klinische Studie

Tränenwegsbefunde von 143 Kindern mit Mikrophthalmus-Anophthalmus-Komplex

Article in several languages: deutsch | English
Michael P. Schittkowski
1   Abteilung Augenheilkunde, Bereich Strabologie, Neuroophthalmologie und okuloplastische Chirurgie, Universitätsmedizin Göttingen, Deutschland
,
Andreas Leha
2   Institut für Medizinische Statistik, Georg-August-Universität Göttingen, Universitätsmedizin Göttingen, Deutschland
,
Maren Horn
1   Abteilung Augenheilkunde, Bereich Strabologie, Neuroophthalmologie und okuloplastische Chirurgie, Universitätsmedizin Göttingen, Deutschland
,
Sabine Naxer
1   Abteilung Augenheilkunde, Bereich Strabologie, Neuroophthalmologie und okuloplastische Chirurgie, Universitätsmedizin Göttingen, Deutschland
› Author Affiliations

Zusammenfassung

Hintergrund Darstellung der klinischen Befunde der ableitenden Tränenwege bei Patienten mit kongenitalem klinischen Anophthalmus und funktionslosem Mikrophthalmus (MAC-Komplex).

Methoden Retrospektive Studie von 207 konsekutiven Patienten, die zwischen 1998 und 2021 mindestens einmal mit hochhydrophilen selbstquellenden Expandern bei MAC operiert wurden. Das Tränenwegssystem wurde in Vollnarkose immer vor allen anderen operativen Maßnahmen sondiert und gespült.

Ergebnisse 64 Patienten wurden wegen möglicher Fehldiagnosen aufgrund vorheriger Lid- oder Orbitachirurgie an anderer Stelle oder wegen fehlender Daten ausgeschlossen. Die Analyse umfasste daher 67 Mädchen und 76 Jungen im Alter zwischen 1 und 126 Monaten (medianes Alter: 5 Monate). 72 Patienten wiesen einen unilateralen und 42 einen bilateralen Anophthalmus auf, 24 einen unilateralen und 5 einen bilateralen Mikrophthalmus; somit standen 286 Augenhöhlen (davon 190 mit Pathologie) zur Beurteilung zur Verfügung. Bei einseitigen Fällen war das Tränenwegssystem auf der normalen Seite nie betroffen. Auf der anophthalmischen oder mikrophthalmischen Seite war das Tränenwegssystem nur in 68 Augenhöhlen (35,8%) unauffällig. Der häufigste Befund war eine Kanalikulusstenose (91 Augenhöhlen; 48%). Eine Stenose des Canaliculus communis wurde in 12 Augenhöhlen (6,3%) und eine Obstruktion des Ductus nasolacrimalis in 9 Augenhöhlen (4,7%) festgestellt. Es gab 4 Fälle von Aplasie beider Tränenpünktchen, andere Anomalien waren nicht auffällig. Beim einseitigen Anophthalmus ließ sich bei pathologischen Befunden der Tränenwegssondierung ein signifikanter Zusammenhang mit einer Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte feststellen, was in den 3 anderen Gruppen nicht der Fall war.

Schlussfolgerungen Beim kongenitalen klinischen Anophthalmus ist das Tränensystem in bis zu 66,5% der Fälle betroffen, meist aufgrund einer Kanalikulusstenose. Auch wenn es keine eindeutigen Hinweise auf einen embryologischen Zusammenhang gibt, ist diese Assoziation sicher kein Zufallsbefund.



Publication History

Received: 07 September 2021

Accepted: 13 December 2021

Article published online:
04 February 2022

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