Klin Monbl Augenheilkd 2021; 238(11): 1186-1195
DOI: 10.1055/a-1525-0030
Übersicht

Nystagmus: Diagnose, anatomische Zuordnung und Therapie

Article in several languages: English | deutsch
1   Neurologische Klinik der Ludwig-Maximilians-Universität München, Deutschland
2   Deutsches Schwindel- und Gleichgewichtszentrum der Ludwig-Maximilians-Universität München, Deutschland
,
Dominik Straumann
3   Klinik für Neurologie, Universitätsspital Zürich, Schweiz
,
Christoph Helmchen
4   Neurologische Klinik der Universität zu Lübeck, Deutschland
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Zusammenfassung

Unter einem Nystagmus versteht man rhythmische Augenbewegungen, die i. d. R. aus einer langsamen (ursächlichen bzw. pathologischen) Augendrift und einer schnellen kompensatorischen Rückstellbewegung (Rückstellsakkade) bestehen; die Richtung wird klinisch nach der schnellen Phase angegeben. Leitsymptome sind zum einen Verschwommensehen, „hüpfende oder laufende Bilder“ (Oszillopsien), verminderte Sehschärfe sowie manchmal Doppelbilder, die oft blickpositionsabhängig sind. Zum anderen können die Patienten, je nach Ursache, leiden unter 1. permanentem Schwankschwindel und Gangunsicherheit (wie beim Downbeat- [DBN] oder Upbeat-Nystagmus [UBN]), 2. Drehschwindel mit gerichteter Fallneigung (bei akutem Beginn) sowie 3. Lagerungsschwindel. Es lassen sich im Wesentlichen zwei Kategorien unterscheiden: 1. Spontannystagmus, d. h. ein Nystagmus, der in Geradeausblickposition auftritt, wie DBN oder UBN, und 2. verschiedene Nystagmusformen, die durch bestimmte Faktoren ausgelöst oder moduliert werden, wie Blickrichtungs-, Kopfschüttel-, Rebound-, Lagerungs-, hyperventilations- oder druckinduzierter Nystagmus. Daneben gibt es noch nystagmusähnliche schnelle Augenbewegungen wie Ocular Flutter oder Opsoklonus. Die häufigsten zentralen Formen eines Spontannystagmus sind DBN, UBN, infantiler Nystagmus, seltener sind Fixationspendelnystagmus, rein torsioneller, periodisch alternierender und See-saw-Nystagmus. Viele Nystagmusformen erlauben eine genaue anatomische Lokalisation, wie z. B. der DBN, der meistens auf einer beidseitigen zerebellären Flocculusläsion beruht oder der UBN auf einer Läsion im Mesenzephalon oder der Medulla oblongata. Beispiele einer Pharmakotherapie sind die Gabe von 4-Aminopyridin beim DBN und UBN, Memantin oder Gabapentin beim Fixationspendelnystagmus oder Baclofen beim periodisch alternierenden Nystagmus. Abschließend: in einem nachfolgenden Artikel werden in dieser Zeitschrift die häufigsten und klinisch relevanten zentralen Okulomotorikstörungen wie Sakkaden und Blickparesen, internukleäre Ophthalmoplegie oder Blickhaltedefekte dargestellt, sodass auf diese hier nicht detailliert eingegangen wird.



Publication History

Received: 22 May 2021

Accepted: 09 July 2021

Article published online:
16 November 2021

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