Zusammenfassung
Im Mittelpunkt dieses Artikels stehen Hoffnungen und Erwartungen, die angesichts der
gegenwärtigen „Krise der psychiatrischen Diagnostik“ diskursiv mit computationalen
Technologien verknüpft werden. Auf der Grundlage von Dokumentenanalysen, qualitativen
Expertinneninterviews sowie ergänzenden Labor- und Konferenzethnografien wird die
Fiktion eines „unvoreingenommenen Blicks“ herausgearbeitet. Demnach haben die Verfahren
der „Künstlichen Intelligenz“ das Potenzial, die Tatsachen selbst zur Sprache kommen
zu lassen. Da jedoch auch die „datengetriebene“ Forschung von konzeptuellen und normativen
Entscheidungen durchzogen ist, droht diese Vorstellung, epistemische Hierarchisierungen
und ontologischen Priorisierungen zu verdecken. Vor diesem Hintergrund wird für eine
Position argumentiert, die Abhängigkeiten und Selektivitäten nicht negiert, sondern
zum Gegenstand einer offensiven Debatte macht.
Abstract
This article focuses on hopes and expectations that are discursively linked to computational
technologies in the face of the current „crisis of psychiatric diagnostics“. On the
basis of document analyses, expert interviews as well as laboratory and conference
ethnographies, the fiction of an „unprejudiced gaze“ is worked out. According to this
imagination, the procedures of „artificial intelligence“ may let the data – and
ultimately the facts – speak for themselves. However, since „data-driven“ research
is also determined by conceptual and normative decisions, this fiction could obscure
epistemic hierarchizations and ontological prioritizations in psychiatric discourse.
Against this backdrop, dependencies and selectivities of research should not be denied
but made transparent allowing for a controversial debate.
Schlüsselwörter
Künstliche Intelligenz - psychische Erkrankung - Klassifikation - Erwartungen - computationale
Psychiatrie
Keywords
artificial intelligence - mental illness - classification - expectations - computational
psychiatry