Was ist neu?
Gliflozine/SGLT2-Hemmer: Shooting-Stars in Diabetologie, Kardiologie und Nephrologie Gliflozine wurden als Antidiabetika entwickelt. Sie blockieren den sodium-glucose
linked transporter 2 (SGLT2) im proximalen Nierentubulus und führen zu Glukosurie
und Natriurese. Unabhängig vom Vorliegen eines Diabetes mellitus zeigen aktuelle Phase-III-Studienergebnisse
zur SGLT2-Hemmer-Therapie einen prognostischen Benefit bei Patienten mit Herz- und/oder
Niereninsuffizienz bezüglich kardiovaskulärer Ereignisse, Hospitalisierung und Tod.
Damit ergibt sich eine Ausweitung der Indikation auf große, oft polymorbide Patientenkollektive
mit genuin hohem Risiko für katabole Episoden und akute Organdysfunktion.
Ketoazidose unter SGLT2-Hemmern SGLT2-Inhibitoren induzieren eine hungerähnliche Ketogenese. Unter katabolen Umständen
wie kritische Erkrankung, Dehydrierung, perioperative Nüchternperiode oder „low-carb“-Fastendiät
kann diese zu einer lebensbedrohlichen euglykämen Ketoazidose entgleisen. Hierzu tragen
vermutlich die vermehrte Rückresorption von Ketonkörpern aus dem Primärharn sowie
die Blockade von SGLT2-Rezeptoren auf α-Zellen des endokrinen Pankreas bei. Dies führt
zur verstärkten Glukagonsekretion, die konsekutiv die Lipolyse und Ketogenese steigert.
Die Inzidenz der euglykämen Ketoazidose als SGLT2-Nebenwirkung lag bislang bei 1–2
pro 1000 Behandlungsjahre. Belastbare „real-life“-Daten für das Risiko einer euglykämen
Ketoazidose der neuen Indikationsgruppen liegen noch nicht vor; eine gute Kenntnis
dieses Krankheitsbildes ist für die Intensiv- und Notfallmedizin zunehmend relevant.
Das klinische Bild der euglykämen Ketoazidose ist ähnlich der klassischen diabetischen
Ketoazidose bei Typ-1-Diabetes. Oft sind die Blutzuckerspiegel dabei hochnormal (nahezu
euglykäm). Im Urinbefund zeigt sich trotz Euglykämie eine exzessive Glukosurie, während
die Ketonkörper-Diagnostik falsch negativ ausfallen kann.
Therapieansätze Der Blutzucker sollte bei euglykämer Ketoazidose durch gleichzeitige Insulin- und
Glukoseapplikation zunächst auf leicht erhöhten Werten gehalten werden, um den intrazellulären
Glukosebedarf zu decken und die Ketogenese zu unterbrechen. Der Volumenmangel wird
durch balancierte kristalloide Infusionen ausgeglichen. Hierbei sind insbesondere
das Risiko von Hypokaliämien sowie geminderte Volumentoleranz bei chronisch herz-
und/oder nierenkranken Patienten zu beachten. Bei akuter Erkrankung und vor operativen
Eingriffen sollten SGLT2-Inhibitoren vorsorglich pausiert werden („sick day break“).
Abstract
SGLT2 inhibitors have been developed as antidiabetics. Large randomized prospective
studies have shown prognostic benefit in patients with heart and/or renal insufficiency
regarding cardiovascular and general endpoints – even in absence of type 2 diabetes
mellitus. This extends the indication to large groups of multimorbid patients. SGLT2
inhibitors induce ketogenesis comparable to fasting conditions. This may – in presence
of additional catabolic factors – deteriorate into life-threatening ketoacidosis –
probably due to increased reabsorption of ketone bodies from urine as well as the
blockage of SGLT2 receptors on α-cells of the pancreas. Euglycaemic ketoacidosis (eKA)
under SGLT2 inhibition occurs in about 2:1000 years of treatment. The diagnosis is
challenging: in eKA, blood sugar levels are often normal, and ketone detection in
urinalysis can be falsely negative, while glucosuria is excessive compared to euglycemic
blood-glucose. The management corresponds to classical diabetic ketoacidosis, but
special features of blood glucose target, hydration and potassium management should
be considered. SGLT2 inhibitors should be paused if a longer fasting period is expected
(„sick-day-break“). Due to the soaring number of prescriptions, a significant increase
in the prevalence of eKA is expected. Immediate diagnosis and therapy are essential
in emergency and intensive care medicine.
Schlüsselwörter
SGLT2-Hemmer - euglykäme Ketoazidose - metabolische Azidose - Medikamentennebenwirkung
Key words
SGLT2-Inhbitor - euglycemic ketoacidosis - metabolic acidosis - drug side effects