ergopraxis 2021; 14(01): 16-18
DOI: 10.1055/a-1300-4364
Wissenschaft

Internationale Studienergebnisse

Narratives Storytelling fördert positive Beziehungen – Erworbene Hirnschädigung

Narratives Storytelling hilft Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen, positive zwischenmenschliche Beziehungen aufzubauen. Dies fand Ergotherapeutin Dr. Kate D'Cruz mit ihrem Team an der La Trobe University in Melbourne, Australien, zusammen mit der dort ansässigen Selbsthilfeorganisation „Summerfoundation“ heraus.

Beim narrativen Storytelling erzählt eine Person (Klient) einem Zuhörer (Therapeut) von ihrem Leben, um daraus Kraft zu tanken und eventuell Antworten auf aktuelle Lebensfragen zu erhalten. Um die Erfahrungen von Erzählern und Zuhörern erheben und miteinander vergleichen zu können, rekrutierten die Forscher insgesamt 14 Teilnehmer für ihre qualitative Studie. Darunter waren 8 Erzähler mit schweren Hirnschädigungen (5 Männer, 3 Frauen, 30–60 Jahre alt) und 6 im Storytelling geschulte und erfahrene Moderatoren (1 Mann, 5 Frauen, 20–60 Jahre). Im Rahmen von halbstrukturierten Interviews wurden die Teilnehmer zu ihren Erfahrungen mit dem Storytelling befragt.

Dabei erwiesen sich folgende Aspekte als zentral für das Storytelling:

  • Den Erzählern war die vertrauensvolle Beziehung zum Moderator wichtig. Dieser sollte echtes Interesse an der Geschichte haben, motiviert zuhören und sich genug Zeit nehmen, um sie gänzlich zu erfassen.

  • Die Moderatoren schätzten die ihnen übertragene Verantwortung sowie die Möglichkeit, den Erzählern authentisch das Gefühl vermitteln zu können, dass sie respektiert werden und dass ihnen zugehört wird. Die Erzähler lobten diesen personenbezogenen Ansatz. Sie fühlten sich als Menschen und nicht nur als beeinträchtigt oder behindert wahrgenommen. Auch die Neugier und das Mitgefühl der Zuhörer waren wichtig für den Beziehungsaufbau.

Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen erleben häufig soziale Isolation. Mit der Erkrankung gehen Kontakte verloren, insbesondere außerhalb des unmittelbaren familiären Umfelds. Für die Bewohner von Pflegeheimen ist das Aufrechterhalten sozialer Beziehungen noch schwieriger. Die neurologische Rehabilitation sollte daher unter anderem zum Ziel haben, die Betroffenen in die Gemeinschaft zu reintegrieren, zum Beispiel mithilfe des narrativen Storytellings, das positive Beziehungserfahrungen ermöglichen kann.

Die Studie unterstreicht die Bedeutung einer positiven Beziehung zu Klienten. Daher empfehlen die Forscher, auch im klinischen Alltag Zeit zu investieren und authentisch Interesse an den Geschichten von Klienten zu zeigen.

kj

Br J Occup Ther 2020; 83: 576–584



Publication History

Article published online:
04 January 2021

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