Zusammenfassung
Hintergrund Der demografische Wandel in Deutschland wird zu einem Anstieg von irreversiblen altersbedingten
Augenerkrankungen führen. Dadurch steigt der Bedarf an spezialisierten Pflegeeinrichtungen
für sehbehinderte Menschen. Aufgrund reduzierter Mobilität sind die Bewohner in solchen
Einrichtungen oft nicht adäquat augenärztlich betreut. Für diese Gruppe müssen daher
neue Konzepte überlegt werden. Ein Ansatz besteht in der Einrichtung einer augenärztlichen
Untersuchungseinheit und regelmäßigen Augenarztbesuchen innerhalb der Einrichtung.
Wir stellen hier die Erfahrungen aus einem solchen Modell in einem Blindenheim vor.
Patienten und Methoden Das Projekt wurde 2009 initiiert. Seitdem erfolgen 2-wöchentliche Besuche durch ärztliches
Personal der Klinik für Augenheilkunde. Alle Behandlungsunterlagen (2010 – 2017) wurden
systematisch durchgesehen. Alter, Geschlecht, Diagnosen und Maßnahmen bei Erstvorstellung
wurden strukturiert und anonymisiert extrahiert sowie deskriptiv analysiert.
Ergebnisse Von 130 untersuchten Bewohnern im Alter von 48 bis 100 Jahren war die Hälfte zwischen
77 und 90 Jahren alt. Die mediane Sehschärfe betrug 0,2. 60% der Bewohner wiesen mindestens
eine milde Sehbehinderung nach WHO (Stufe 1 – 6; Visus < 0,5) auf. Bei jedem 6. – 7.
Bewohner war durch den Snellen-Test kein Visus erhebbar. Die häufigsten ophthalmologischen
Diagnosen umfassten die Katarakt (44%), die altersabhängige Makuladegeneration (36%)
und das Glaukom (29%). Bei 67 Bewohnern (52%) ergab sich aufgrund der augenärztlichen
Untersuchung eine Behandlungskonsequenz, wie bspw. das Ansetzen einer lokalen Therapie
oder die Planung einer Operation.
Schlussfolgerung Bei jedem 2. Bewohner ergab sich im Beobachtungszeitraum eine Behandlungskonsequenz
durch den Augenarztbesuch. Dies unterstreicht, dass die Gewährleistung der ophthalmologischen
Versorgung selbst in spezialisierten Sehbehinderteneinrichtungen erschwert ist, was
möglicherweise den Mobilitätsproblemen der Bewohner geschuldet ist. Durch das hier
dargestellte Konzept wurde vor Ort ein niederschwelliges, nachhaltiges und qualitativ
hochwertiges augenärztliches Angebot etabliert. Diese positiven Erfahrungen deuten
an, dass entsprechende Maßnahmen auch für andere Standorte sinnvoll sein können. Um
eine Ausrollung in die Fläche zu ermöglichen, müssen allerdings noch geeignete Finanzierungs-
und Abrechnungsmodalitäten für die baulichen und pflegerischen Maßnahmen und den augenärztlichen
Betrieb entwickelt werden.
Schlüsselwörter
Blindheit - Sehbehinderung - Low Vision - Pflegeeinrichtung - Blindenheim - Versorgungsforschung