Klin Monbl Augenheilkd 2020; 237(11): 1326-1333
DOI: 10.1055/a-1194-5381
Klinische Studie

Augenärztliche Betreuung in Blindenheimen: eine wachsende Herausforderung

Article in several languages: English | deutsch
1   Klinik für Augenheilkunde, Universitätsklinikum Freiburg
2   Medizinische Fakultät, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
,
Julia Stifter
1   Klinik für Augenheilkunde, Universitätsklinikum Freiburg
2   Medizinische Fakultät, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
,
Diana Engesser
1   Klinik für Augenheilkunde, Universitätsklinikum Freiburg
2   Medizinische Fakultät, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
,
Lisa Atzrodt
1   Klinik für Augenheilkunde, Universitätsklinikum Freiburg
2   Medizinische Fakultät, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
,
Paola Kammrath Betancor
1   Klinik für Augenheilkunde, Universitätsklinikum Freiburg
2   Medizinische Fakultät, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
,
Daniel Böhringer
1   Klinik für Augenheilkunde, Universitätsklinikum Freiburg
2   Medizinische Fakultät, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
,
Markus Faessler
3   Leitung, Blindenheim Freiburg
,
Martin Wuermeling
4   Augenarztpraxis Titisee-Neustadt, Augennetz Südbaden, Titisee-Neustadt
,
Thomas Reinhard
1   Klinik für Augenheilkunde, Universitätsklinikum Freiburg
2   Medizinische Fakultät, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
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Zusammenfassung

Hintergrund Der demografische Wandel in Deutschland wird zu einem Anstieg von irreversiblen altersbedingten Augenerkrankungen führen. Dadurch steigt der Bedarf an spezialisierten Pflegeeinrichtungen für sehbehinderte Menschen. Aufgrund reduzierter Mobilität sind die Bewohner in solchen Einrichtungen oft nicht adäquat augenärztlich betreut. Für diese Gruppe müssen daher neue Konzepte überlegt werden. Ein Ansatz besteht in der Einrichtung einer augenärztlichen Untersuchungseinheit und regelmäßigen Augenarztbesuchen innerhalb der Einrichtung. Wir stellen hier die Erfahrungen aus einem solchen Modell in einem Blindenheim vor.

Patienten und Methoden Das Projekt wurde 2009 initiiert. Seitdem erfolgen 2-wöchentliche Besuche durch ärztliches Personal der Klinik für Augenheilkunde. Alle Behandlungsunterlagen (2010 – 2017) wurden systematisch durchgesehen. Alter, Geschlecht, Diagnosen und Maßnahmen bei Erstvorstellung wurden strukturiert und anonymisiert extrahiert sowie deskriptiv analysiert.

Ergebnisse Von 130 untersuchten Bewohnern im Alter von 48 bis 100 Jahren war die Hälfte zwischen 77 und 90 Jahren alt. Die mediane Sehschärfe betrug 0,2. 60% der Bewohner wiesen mindestens eine milde Sehbehinderung nach WHO (Stufe 1 – 6; Visus < 0,5) auf. Bei jedem 6. – 7. Bewohner war durch den Snellen-Test kein Visus erhebbar. Die häufigsten ophthalmologischen Diagnosen umfassten die Katarakt (44%), die altersabhängige Makuladegeneration (36%) und das Glaukom (29%). Bei 67 Bewohnern (52%) ergab sich aufgrund der augenärztlichen Untersuchung eine Behandlungskonsequenz, wie bspw. das Ansetzen einer lokalen Therapie oder die Planung einer Operation.

Schlussfolgerung Bei jedem 2. Bewohner ergab sich im Beobachtungszeitraum eine Behandlungskonsequenz durch den Augenarztbesuch. Dies unterstreicht, dass die Gewährleistung der ophthalmologischen Versorgung selbst in spezialisierten Sehbehinderteneinrichtungen erschwert ist, was möglicherweise den Mobilitätsproblemen der Bewohner geschuldet ist. Durch das hier dargestellte Konzept wurde vor Ort ein niederschwelliges, nachhaltiges und qualitativ hochwertiges augenärztliches Angebot etabliert. Diese positiven Erfahrungen deuten an, dass entsprechende Maßnahmen auch für andere Standorte sinnvoll sein können. Um eine Ausrollung in die Fläche zu ermöglichen, müssen allerdings noch geeignete Finanzierungs- und Abrechnungsmodalitäten für die baulichen und pflegerischen Maßnahmen und den augenärztlichen Betrieb entwickelt werden.



Publication History

Received: 03 March 2020

Accepted: 14 May 2020

Article published online:
31 August 2020

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