Sprache · Stimme · Gehör 2020; 44(02): 99-100
DOI: 10.1055/a-1043-7229
Interview

Kognitive Kommunikationsstörungen aus neuropsychologischer Perspektive

Interview mit Dipl.-Psychologin Dr. Angelika Thöne-Otto

Warum werden Kognitive Kommunikationsstörungen (KoKos) erst seit einiger Zeit in Deutschland thematisiert und diagnostiziert?

In der Rehabilitationsbehandlung stehen am Anfang kognitive Störungen wie Aufmerksamkeit oder Gedächtnis und sprachliche Störungen wie die Aphasie im Vordergrund. Die KoKos werden in dem häufig stark vorstrukturierten Setting einer Rehabilitationsbehandlung zunächst nicht deutlich. Es sind vielmehr die komplexen kommunikativen Anforderungen des Alltags, die die Störung sichtbar machen. Dadurch, dass in den letzten Jahren die Bemühungen um die gesellschaftliche und berufliche Teilhabe zugenommen haben und die Patienten somit auch längerfristig behandelt werden, rückt das Störungsbild und seine Relevanz stärker in den Fokus.
Ein 2. wichtiger Aspekt liegt darin, dass Kommunikationsstile in der gesunden Bevölkerung extrem variabel sind. Die Persönlichkeit und der soziale Kontext spielen dafür eine wichtige Rolle. Ob nun diese Kommunikationsstile als Störung aufgefasst werden, definiert sich über die Frage, ob der Betroffene selbst oder sein Umfeld darunter leidet und ob es sich um eine Veränderung gegenüber dem Zustand vor der Erkrankung handelt. Im klinischen Alltag haben wir oft Patienten, die wir sehr auffällig finden, z. B. weitschweifig oder semantisch vage, wo wir dann von den Angehörigen hören, „so war er schon immer”. Das liegt sicher auch daran, dass wir bislang wenig gut evaluierte Untersuchungsinstrumente haben, um die Störung überhaupt zu identifizieren.



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Article published online:
16 June 2020

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