Ernährung & Medizin 2020; 35(01): 1
DOI: 10.1055/a-0971-0580
Editorial

Liebe Leserinnen, liebe Leser, …

Edmund A. Purucker

Sport und Ernährung

Vor etwa 200 000 Jahren begann der moderne Mensch, sich als Jäger und Sammler über die gesamte Erde auszubreiten. Diese Wanderung endete erst vor ca. 20 000 Jahren, als er durch die Innovationen des Ackerbaus und der Viehzucht sesshaft wurde. An seinem ausgeprägt aktiven Lebensstil änderte die Sesshaftigkeit allerdings nichts. Erst die Neuzeit der letzten 100 Jahre machte durch die Industrialisierung, Urbanisierung und Motorisierung den aktiven Lebensstil obsolet. Gleichzeitig verbesserte sich die Versorgung mit hochwertigen und kostengünstigen Nahrungsmitteln. Hierdurch und durch Erfolge in der Therapie infektiöser Erkrankungen (z. B. Penicillin 1943), der Therapie der Herz-Kreislauf-Erkrankungen (z. B. Propanolol 1964) und von Vorsorgemaßnahmen (z. B. Anti-Raucher-Kampagnen seit 1970) verbesserte sich unsere Lebenserwartung drastisch. Die Konsequenzen dieser Entwicklung zu einem nicht bestimmungsgemäßen Lebensstil und einer von der Evolution nicht beabsichtigten Lebenserwartung sind die „Zivilisationskrankheiten“: Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebserkrankungen, Adipositas, Typ-2-Diabetes, Fettleber, Suchterkrankungen. Viele dieser Erkrankungen lassen sich daher durch eine Basistherapie „back to the roots“ mit angemessener körperlicher Aktivität sowie optimierter und energiebilanzierter Ernährung günstig beeinflussen.

Wie dies bei der Volkserkrankung Diabetes umgesetzt werden kann, beschreiben die DDG-Praxisempfehlungen in diesem Heft, die zudem aufzeigen, welche vielfältigen, positiven Auswirkungen einer solchen Basistherapie zuzuschreiben sind. Dass es auch beim zum Volkssport avancierten Golfen wichtig ist, sich bedarfsgerecht zu ernähren, um die körperliche und mentale Leistungsfähigkeit zu erhalten und zu optimieren, beschreiben Dominikus S. Schmidt und Konstantin Focke in ihrem Beitrag. Welche Möglichkeiten der Leistungsverbesserung durch angepasste Ernährung im Leistungssport, aber auch im ambitionierten Breitensport möglich sind, zeigen Kuno und Laura Hottenrott in ihrem Beitrag. Und schließlich unterstreichen Uwe Schröder und Günter Wagner die leistungs- und regenerationsfördernde Bedeutung einer angepassten Flüssigkeits- und Elektrolytzufuhr vor, während und nach sportlichen Aktivitäten.

Alle Beiträge implizieren die engen Interaktionen zwischen Ernährung und Bewegung, die die Evolution über lange Zeiträume für einen aktiven Lebensstil perfektioniert hat. Eigentlich sollten wir spüren, wann wir uns bewegen und was wir essen sollten, wäre da nicht dieses andere evolutionäre Gebot: Vergeude keine Energie! Die daraus resultierende inhärente Faulheit (unser „innerer Schweinehund“) hemmt uns, sinnfreien Aktivitäten wie dem Sport nachzugehen. Hier helfen nur Freude, Freunde und die Erfahrung, um wie viel besser man sich nach einer Aktivität fühlen kann. Gerade deshalb auch ist ein regelmäßiges Coaching von Klienten und Patienten ein essenzieller Bestandteil jeder Ernährungs- und Bewegungstherapie.

Die Empfehlungen der Ernährungsforschung helfen, die individuelle Ernährung an den aktuellen Lebensstil anzupassen – damit wird der evolutionäre Prozess ersetzt, der aufgrund des Auftretens der Zivilisationskrankheiten jenseits der Fortpflanzungsperiode nicht greifen kann.

Ihr
Edmund A. Purucker



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Article published online:
25 March 2020

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