Laryngorhinootologie 2004; 83(12): 856-857
DOI: 10.1055/s-2004-826112
Aktuelle Habilitation
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Ätiopathogenese der chronischen Sialadenitiden der Glandula submandibularis

Etiopathogenesis of Chronic Sialadenitis of the Submandibular GlandA.  Teymoortash1
  • 1Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde der Philipps-Universität Marburg (Direktor: Prof. Dr. J. A. Werner)
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Publication History

Eingegangen: 27. Juli 2004

Angenommen: 9. September 2004

Publication Date:
21 December 2004 (online)

Bisher gibt es keine einheitliche, alle geforderten Kriterien berücksichtigende histologische Klassifikation der verschiedenen Formen der chronischen Sialadenitiden. So bestimmen gegenwärtig vor allem klinisch relevante Faktoren die Klassifikation dieser Erkrankungen. Da die verschiedenen Formen der chronischen Sialadenitis ein ähnliches histologisches Erscheinungsbild zeigen, ist eine histologische Differenzierung der verschiedenen Formen oftmals nicht möglich. Dies gilt besonders für die späten Krankheitsstadien mit ausgeprägter Fibrose. Die genaue Ätiopathologie und der Mechanismus der Atrophie des Drüsenparenchyms mit Infiltration der Lymphozyten und Zunahme des extrazellulären Matrix im Verlauf chronischer Sialadenitiden der Glandula submandibularis sind nicht bekannt. Lokale Veränderungen und Reaktionen des Immunsystems wurden während des Entzündungsablaufes bei diesen Erkrankungen bisher nur unzureichend untersucht. So war das Ziel der der Habilitationsschrift zugrunde liegenden Untersuchungen, das bessere Verständnis der pathomorphologischen und immunpathologischen Veränderungen bei chronischen Sialadenitiden der Glandula submandibularis.

Die histomorphologischen Veränderungen mit entzündlicher Zerstörung des Drüsenparenchyms und dem progredienten Charakter der Entzündungsprogression bei den chronischen Sialadenitiden der Glandula submandibularis können nicht wie bisher vielfach angenommen durch einen rein mechanisch bedingten Sekretstau und Überdruck im Speichelgangsystem durch Sialolithen erklärt werden. Der periduktale Ursprung der entzündlichen Reaktion und die enge Beziehung zwischen den lymphomonozytären Infiltraten und duktalen Zellen spricht für die zentrale Rolle der Gangepithelien als Ziel des Entzündungsprozesses. Das immunologische Profil der entzündlichen Infiltrate zeigt, dass intraepitheliale entzündliche Faktoren als Ursache der entzündlichen Reaktion anzunehmen sind. Bei den chronischen obstruktiven Sialadenitiden kommt es offensichtlich durch eine infektiös induzierte Immunantwort zur Entzündungsprogression. Die Interaktionen und Wechselwirkungen der duktalen Zellen mit den lymphozytären Infiltraten sind bei der Entzündungsprogression und Entwicklung der Drüsenfibrose von großer Bedeutung. So konnte eine enge Korrelation zwischen der TGF-β-Expression der Speichelgangepithelien und einer Entzündungsprogression mit zunehmender Drüsenfibrose festgestellt werden.

Bei der chronischen sklerosierenden Sialadenitis der Glandula submandibularis (Küttner-Tumor), die zur Gruppe der tumorähnlichen Läsionen der Speicheldrüsen zählt, spielt eine lokalisierte Autoimmunreaktion unter besonderer Dominanz der zytotoxischen T-Zellen eine führende Rolle. Anhand molekulargenetischer Klonalitätsanalysen konnte in der überwiegenden Mehrzahl der untersuchten Fälle ein oligoklonales Rearrangement und das Auftreten prädominanter Klone des T-Zellrezeptor-Gamma nachgewiesen werden. In Analogie zu anderen Autoimmunerkrankungen exokriner Drüsen ist bei dieser Erkrankung eine lokale Virusinfektion der duktalen Zellen anzunehmen.

Chronische Sialadenitiden der Glandula submandibularis sind häufig vergesellschaftet mit Mikrolithenbildung und Sialolithiasis, weswegen ein enger Zusammenhang zwischen diesen Erkrankungen angenommen wird. Die sklerosierende Form der chronischen Sialadenitis ist häufig (etwa 30 %) mit einer Sialolithiasis vergesellschaftet. Die Entwicklung der Speichelsteine bei dieser Erkrankung ist auf den zunehmenden zytotoxisch bewirkten Untergang von Drüsenzellen zurückzuführen und ist als sekundär zu werten.

Bei der obstruktiven Form der chronischen Sialadenitis spielt pathogenetisch besonders die Gangobstruktion durch Speichelsteine die entscheidende Rolle. Für die Entwicklung der Speichelsteine sind lokale Faktoren ätiologisch bedeutsam. Durch mineralogische Untersuchungen der Speichelsteine wurde eine unterschiedliche Struktur und Mineralisation der Sialolithen der Glandula submandibularis, sowohl im Kortex als auch im Nukleus festgestellt, die für die Beteiligung verschiedener Faktoren bei ihrer Entstehung spricht. Die Beobachtung von Unterschieden in der Mineralkomposition von Sialolithen verschiedener Gangabschnitte reflektiert Unterschiede im ionischen Speichelmilieu des Whartonschen Ganges im Vergleich zum intraglandulären Gangsystem.

Sekretionsstörungen und zähflüssiges Sekret sowie Mikrolithenbildung und Gangobstruktion können isoliert die Genese der Speichelsteine nicht erklären. Die Zusammenwirkung dieser Faktoren unter möglicher Beteiligung von Bakterien, deren DNS in Speichelsteinen mit Hilfe der PCR und einem universellen Primerpaar für ribosomale 16S RNS kodierende Sequenzen nachgewiesen wurde, führt zur Speichelsteinbildung. Dyschylie und zunehmende Mikrolithenbildung erleichtern das Eindringen von Bakterien in das Ausführungsgangsystem der Speicheldrüsen und führen zu einer fokalen obstruktiven Atrophie der Azinuszellen, wobei die Azinusatrophie zu einer weiteren Sekretionsstörung führt. Der duktale Sekretstau begünstigt die Proliferation aszendierender Bakterien, die in Anwesenheit von Mikrolithen zur Speichelsteinbildung beitragen können. Alterationen der Gangepithelien durch duktale Abflussstörung führen zur Störung des lokalen Abwehrsystems der Speicheldrüsen, die weiterhin die Proliferation der Bakterien im Speichelgangssystem begünstigen.

Priv.-Doz. Dr. Afshin Teymoortash, Jahrgang 1968.

Priv.-Doz. Dr. Afshin Teymoortash

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