Dtsch Med Wochenschr 2003; 128(47): 2467
DOI: 10.1055/s-2003-44314
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Hypertonie 2003: Abschied vom alten Liga-Schema

Hypertension 2003: Goodbye to the old „League scheme“R. Düsing1 , M. Böhm2
  • 1Medizinische Universitäts-Poliklinik, Bonn
  • 2Medizinische Klinik III, Universitätsklinikum, Homburg
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Publication History

Publication Date:
20 November 2003 (online)

Die arterielle Hypertonie als ursächlicher Faktor für die hohe kardiovaskuläre Erkrankungsrate und Sterblichkeit in unserem Lande steht auch im Jahre 2003 im Brennpunkt einer breitgefächerten Diskussion. Neuere Daten zur Häufigkeit der Hypertonie und der Schlaganfallsterblichkeit in Deutschland im Vergleich zu anderen nordamerikanischen und europäischen Ländern haben uns schlagartig vor Augen geführt, dass die Hypertonie auch weiterhin einer großen wissenschaftlichen und klinischen Aufmerksamkeit bedarf. Dabei ist der wissenschaftliche Fortschritt beeindruckend. Im Bereich der Grundlagenforschung wird ansatzweise der hereditäre Hintergrund der Hypertonie erkennbar und neue molekulare und zelluläre Mechanismen werden auf ihre Bedeutung untersucht. Klinisch kommen neue Studienergebnisse hinzu, wobei die neuen Details langsam aber stetig das Gesamtbild beeinflussen.

Jedoch bieten uns diese Studien oft Unterschiede im Detail, sie müssen sinnvoll in unser bisheriges Wissen eingeordnet und auf Qualität bezüglich Methodik und Datenerhebung überprüft werden. Dies wird in den meisten Ländern der Welt durch wissenschaftliche Fachgesellschaften geleistet, die in vielen wichtigen Aspekten vergleichbare Bewertungen und Einschätzungen vorlegen. Aber auch hier gibt es Unterschiede in einzelnen Details. Wie soll man die arterielle Hypertonie einteilen? Ist es sinnvoll, von Prä-Hypertonie zu sprechen? Wann soll man welche Patienten schon von Anfang an mit einer Zweierkombination anstelle einer Monotherapie behandeln? Welche initiale Monotherapie ist für welche Patienten optimal? Die Deutsche Hochdruckliga hat seit fast drei Jahrzehnten den aktuellen Wissensstand in ihren Leitlinien und Therapieempfehlungen zusammengefasst. Diese Leitlinie hat bei der Deutschen Ärzteschaft eine beeindruckende Popularität und Akzeptanz gewonnen und liegt in der aktuellen Abrufstatistik nach Angaben der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften an erster Stelle.

Leitlinien müssen fortgeschrieben und in regelmäßigen Abständen erneuert und aktualisiert werden. Die Deutsche Hochdruckliga verabschiedet sich jetzt von dem bisherigen Stufenschema („Liga-Schema“) zur medikamentösen Therapie, und passt sich den internationalen Empfehlungen an. Es wird ein flexibleres Konzept vorgeschlagen, welches die initiale Kombinationstherapie als eine alternative Option neben die Monotherapie stellt. Die Mehrzahl der Hypertoniker benötigt ohnehin eine Kombinationstherapie, um die erforderlichen Zielblutdruckwerte zu erreichen. Wir sind in der glücklichen Lage, ein breites Spektrum gut wirksamer Substanzen zur Verfügung zu haben, die alle für die Monotherapie in Betracht kommen, aber auch für die Kombinationstherapie geeignet sind.

Unabdingbare Voraussetzung für weiteren Fortschritt in unserem Verständnis der Hypertonie und, daraus erwachsend, für effektivere Strategien zur Prävention und Therapie dieser Erkrankung ist die andauernde wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema. Um dies auf nationaler Ebene sicherzustellen und zu koordinieren, wurde 1974 die Deutsche Hochdruckliga gegründet. Von zentraler Bedeutung für diese Aufgabenstellung sind die jährlich stattfindenden wissenschaftlichen Kongresse dieser Gesellschaft. Der diesjährige Kongress der Deutschen Hochdruckliga findet vom 26.-29. November in Bonn statt. Das vorliegende Schwerpunktheft der Deutschen Medizinischen Wochenschrift nimmt diesen Kongress zum Anlass, das Thema Hypertonie in Form von Übersichten, Originalarbeiten, einer Pro-Contra-Diskussion und drei Kasuistiken zu würdigen. Die wenigen abgehandelten Themen machen beispielhaft deutlich, wie sehr die Hypertensiologie mit anderen Fachgebieten der Inneren Medizin, z. B. Nephrologie, Kardiologie, Angiologie, Ernährungs- und Schlafmedizin, aber auch mit der Grundlagenforschung verknüpft ist. Dies ist die eigentliche Legitimation hypertensiologischer Fachgesellschaften auf nationaler und übernationaler Ebene, nämlich die Expertise aus Grundlagenforschung und den verschiedenen Subspezialitäten der Medizin fokussiert auf das Thema Hypertonie zusammenzuführen. In diesem Sinne wünschen wir dem Bonner Kongress der Deutschen Hochdruckliga gutes Gelingen.

Prof. Dr. med. R. Düsing

Medizinische Universitäts-Poliklinik

Wilhelmstraße 35-37

53111 Bonn

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