Dtsch Med Wochenschr 2003; 128(34/35): 1788-1791
DOI: 10.1055/s-2003-41703
Ethik in der Medizin
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Schwangerschaftsabbruch - Embryo-Fetozid - drohender Auto-Genozid?

Legal abortion - embryo-fetocide - threatening auto-genocide?A. Fenner1
  • 1Direktor i. R. der Klinik für Neonatologie, Medizinische Universität zu Lübeck
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Publication History

eingereicht: 18.2.2003

akzeptiert: 3.7.2003

Publication Date:
22 August 2003 (online)

Zusammenfassung

Der Begriff „Schwangerschaftsabbruch” verharmlost den eigentlichen Tatbestand, weil er ihn aus dem Blickwinkel von nur einer der beiden beteiligten Menschen sieht: der Mutter! Für die betroffenen ungeborenen Kinder handelt es sich um aktive Tötung (Embryo-Fetozid). Dass sie in unserem Lande seit etwa drei Jahrzehnten weitgehend straffrei möglich ist, dass sie in hohem Umfang wahrgenommen wird, ist ein nationales Unrecht gegenüber den ungeborenen Kindern, ein ethisch-ärztliches Unrecht im Hinblick auf das jahrtausendealte ärztliche Prinzip, nicht zu töten und auch keine Beihilfe zum Tode zu leisten. Etwa 5 Millionen Kinder und Jugendliche, die unter uns leben könnten, sind in den vergangenen drei Jahrzehnten auf diese Weise zu Tode gekommen. Dass immer noch mehr als 100000 Embryo-Fetozide pro Jahr in Deutschland vorgenommen werden, reflektiert unsere Einstellung gegenüber der nachwachsenden Generation wie auch diejenige unserer Lebensgestaltung: Kinder zu haben ist finanziell nachteilig, arbeitsaufwendig, freiheitshindernd, teuer, mühevoll, manchmal enttäuschend. Dass es auch belebend, verjüngend, freudebringend, erfolgreich und - vor allem - Liebe stiftend ist, wird oft vergessen. Dass darüber hinaus auf lange Sicht nur durch das Nachwachsen einer neuen Generation unser Sozialstatus, unsere Rentenzahlung, unsere Produktivität und unser geistig-kulturelles Niveau aufrecht erhalten werden können, scheint in Vergessenheit geraten zu sein. Machen wir so weiter, verüben wir einen schleichenden Auto-Genozid an unserem eigenen Volk. Es ist hohe Zeit, dass Ärzte sich ihrer ethischen Verpflichtungen wieder bewusst werden, dass Politiker einen Rahmen für Familien schaffen, der Kinder wieder zu einem erwünschten und selbstverständlichen Teil unseres Lebens werden lässt.

Summary

Terms such as „legal abortion” or „termination of pregnancy” are suited to minimize the real facts, because they reflect the point of view of only one of the two persons concerned: the motherŽ s. For the unborns concerned, „active killing” (embryo-fetocide) would be the appropriate term. In our country, induced interruption of pregnancy has in effect been exempt from penalty for the last three decades. Many women have made use of that „right”, and this is a national injustice towards the unborns concerned, but it is also ethically false in view of the old and holy principle, that physicians must not kill or supply support for death. In our country about five million more children and adolescents would be alive, had they been allowed to continue intrauterine life. This fact clearly reflects our position towards the young generation as well as being an expression of our lifestyle: raising children has financial drawbacks, causes a lot of work, reduces the freedom, is expensive and sometimes disappointing. But what is forgotten: it also is vitalizing, brings youthful thinking and joy and - most importantly, carries love into our lives. And it should be clear, that - in the long term - only by having a new generation can we maintain our social status, our system of pensions, our productivity and our intellectual and cultural level. Alternately, a slow auto-genocide will be the unevitable consequence. It is time for physicians to regain their consciousness of ethical standards; of equal importance would be the initiation of family-geared politics in order to let children be a desired and integral part of our life.

Literatur

  • 1 Fenner A. Quo vadis, paediatria?.  Kinderarzt. 1985;  16 923-925
  • 2 Gahl K, Kintzi H. Ärztliche Indikation zum Töten?.  Dtsch Med Wochenschr. 2002;  127 866-869
  • 3 Maio G. Welchen Respekt schulden wir dem Embryo?.  Dtsch Med Wochenschr. 2002;  127 160-163
  • 4 Rechtliche Entwicklung des Schwangerschaftsabbruchsrechts in Deutschland. Material zur Rechtsgeschichte d. § 218. Statistisches Bundesamt, Bonn 2003
  • 5 Schmidt-Tannwald I. Gestern „lebensunwert” heute „unzumutbar”. Wiederholt sich die Geschichte doch?. Stuttgart: Verlag Freies Geistesleben Zit. n. Bavastro P. in „Geistesleben” 1999
  • 6 Schultz H. Legale Aborte. Europäische Wirtschafts- und Sozialgeschichte III: das kurze 20. Jahrhundert. Statistisches Bundesamt, Bonn 2003

Professor Dr. med. Axel Fenner

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