Dtsch Med Wochenschr 2000; 125(36): 1053-1054
DOI: 10.1055/s-2000-7209
Pro & Contra
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Konservative Behandlung von Gallenblasensteinen - Contra

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Publication Date:
31 December 2000 (online)

Die konservative Behandlung von Gallenblasensteinen ist falsch!

Sie war schon immer falsch und ist es seit Einführung der endoskopisch chirurgischen Technik noch eindeutiger - sie ist einfach falsch.

Diese Aussage gilt dann, wenn man die Wirkung einer chirurgischen Therapie vor allem aus der Sicht des Patienten zu Grunde legt.

Fakt ist, dass die endoskopisch chirurgische Therapie die Symptome beseitigt und dies sicher, überzeugend, schnell und vor allem einmalig! Fakt ist auch, dass mit dieser Technik die wirkliche Ursache, der pathophysiologische Mechanismus, nur teilweise beeinflusst wird. Das ist in der Medizin nicht selten der Fall, nicht nur in der Chirurgie.

Folgt man der »neuen Religion« »evidence-based medicine«, dann hält meine Feststellung! Unter evidence-based medicine versteht man:

Publizierte Daten von experimentellen Studien. Höchster Evidenzgrad: kontrollierte Studie. Die Überzeugung, die Empfehlung und das Handeln von Experten. Der geäußerte und geforderte Wunsch von Kranken.

Entspricht man dieser Konzeption mit aller Vorsicht, dann ist die laparoskopische Cholezystektomie derzeit »evidence-based«.

Sowohl die erste Voraussetzung wie die Überzeugung von Experten ist vorhanden. Es gibt mittlerweile akzeptable kontrollierte klinische Studien und schließlich auch so genannte Konsensus-Konferenzen, von denen die Letzteren das derzeitige vorhandene Wissen gewichtet haben und meine Eingangsaussage klar unterstützen[1] [2] [3].

Nicht nur durch die Laienpresse ist der Wunsch des Patienten für die laparoskopische Cholezystektomie anstelle der herkömmlichen konservativen Therapie (1882 eingeführt von Herrn Langenbuch, Berlin) die gewünschte Therapie. Gerade die Vorteile für den Patienten haben sich nach 10 Jahren geübter chirurgischer Therapie herumgesprochen!

Diese hervorragende Therapie gilt vor allem und ausschließlich für den so genannten Steinkranken, wie wir ihn in unserem Sprachraum definieren. Ein Steinkranker ist definiert:

Durch den Steinnachweis mittels Ultraschall. Durch die klare Äußerung von Schmerzen; sie sollten zeitlich limitiert sein (nicht unter einer halben Stunde und nicht über 4-6 Stunden, gewöhnlich nicht tagelang). Ausgelöst durch Diätfehler und Ärger, »typisch« meist nachts. Lokalisation der Schmerzempfindung im rechten Oberbauch und Ausstrahlung in den Rücken. Die Abhängigkeit von so genannter Diät oder anders ausgedrückt Vermeidung einer Kolik durch Vermeidung »mächtiger Speisen«.

Geäußerte empfundene Schmerzen sind entscheidend, ein als unangenehm empfundenes Druckgefühl ist ebenfalls ein deutliches Symptom.

Völlegefühl, Obstipation, Blähungen und/oder auch Aufstoßen und in der häufig geübten Ultraschalluntersuchung gefundene Gallensteine sind keine Indikation zur Entfernung der Gallenblase. Die Entfernung der Gallenblase bei diesen Patienten kann zwar mögliche Probleme der Steine in der Gallenblase in der Zukunft günstig beeinflussen oder sogar verhindern, aber Blähungen, Aufstoßen etc. nicht beseitigen, sondern vielleicht noch verstärken.

Nur unter diesen klaren Bedingungen bietet die laparoskopische Cholezystektomie eine hohe Effektivität:

Hohe Sicherheit (Letalität in Nordrhein 0,2 %) (117 989 Patienten in den Jahren 1992-1998). Beseitigung der belästigenden Symptome (prospektive Studie Köln-Merheim 1993, n = 538): Kolik 82%, Schmerz 81%, Völlegefühl 81%, Nahrungsunverträglichkeit 83%. Die Therapie ganz allgemein bedeutet eine relativ geringe Belästigung (Präoperative Vorbereitung gleich null, unmittelbare postoperative Therapie gleich null, Trinken am Op-Tag; Schmerztherapie nach Wunsch, wenn erforderlich). Also geringe allgemeine Belästigung, schnelle Genesung, kurzer Krankenhausaufenthalt, nicht zu verachtende hervorragende Kosmetik.

Wenn auch die so genannten subjektiven Kriterien in hohem Maß von Plazebo und sozioökonomischen Umständen/Effekten abhängig sind und auch beeinflusst werden, sind sie für den Kranken real! Der individuelle Kranke hat den Gewinn. Ein weiterer wesentlicher Vorteil ist, dass die Therapie eben kurz, einmalig und endgültig ist!

Mittlerweile kann man diesen grundsätzlichen Tatbestand auch auf den blanden Steinträger ausdehnen. Um ein Desaster zu vermeiden, d. h. im Alter, zum ungünstigen Zeitpunkt eine »schlimme Steingallenblase« mit 7-fach höherer Mortalität und hoher Komplikationsrate operieren zu müssen, ist die elektive Steingallenblasen-Entfernung eine starke Alternative.

»Der symptomlose Gallenblasenstein ist keine chirurgische Erkrankung.« Dieses Dogma in dieser Eindeutigkeit ist nicht mehr! Auf diese Tatsache haben die hervorragenden Experten Hess, Rohner, Cirenei und Akovbiantz auf der Basis ihrer Erfahrungen und Daten schon vor mehr als 20 Jahren hingewiesen [4]. Dies war vor der Ära der endoskopischen Cholezystektomie.

Die laparoskopische Cholezystektomie, die nach wie vor eine Allgemeinnarkose und Operation erfordert, ist dann obsolet, wenn wir diese Erkrankung mit einer Medikation ebenso schnell, effektiv und langanhaltend therapieren können wie das Ulcus duodeni.

Literatur

  • 1 Paumgartner G, Sackmann M, Ell Ch, Leuschner U, Sauerbruch T, Swobodnik W, Troidl H. Therapie des Gallensteinleidens. Consensus-Bericht der Tagung der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin. Wiesbaden 11.4.1994.  Med Klin. 1994;  89 (I) 7-12
  • 2 Hendolin H I, Pääkkönen M E, Alhava E M, Tarvainen R, Kemppinen T, Lathinen P. Laparoscopic or open cholecystectomy: a prospective, randomised trial to compare postoperative pain, pulmonary function, and stress response.  Eur J Surg. 2000;  166 394-399
  • 3 Neugebauer E, Sauerland S, Troidl H. Laparoscopic Cholecystectomy: E.A.E.S. Consensus Development Conference (1997) with updating comments (2000). In: Recommendations for evidence-based endoscopic surgery. The updated EAES consensus development conferences Springer, Paris 2000: 37-46
  • 4 Hess W, Rohner A, Cirenei A, Akovbiantz A. Die Erkrankungen der Gallenwege und des Pankreas. Pathologie - Diagnostik - Therapie. Bd. II. Piccin Nuova Libraria, Padova 1986

Prof. Dr. med. Dr. h. c. Hans Troidl

II. Chirurgischer Lehrstuhl der Universität zu Köln

Chirurgische Klinik Köln-Merheim

Ostmerheimer Str. 200

51109 Köln

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