Dtsch Med Wochenschr 1929; 55(39): 1629-1630
DOI: 10.1055/s-0028-1127311
© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Bestrahlte Frischmilch in der Familienprophylaxe

Josef Schönen - Assistent der Klinik
  • Aus der Universitäts-Kinderklinik in Greifswald. (Direktor: Prof. Degkwitz.)
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Publication Date:
13 August 2009 (online)

Zusammenfassung

Bei 51 Kindern im Alter von 4 Monaten bis zu 2 Jahren, die, in der Familie unter besonders ungünstigen sozialen Verhältnissen lebend, vom Dezember 1928 bis zum April 1929, während eines besonders harten Winters zu 50% verschnittene bestrahlte Frischmilch als Rachitisprophylaktikum genossen hatten, konnte klinisch und röntgenologisch kein Fall von florider Rachitis festgestellt werden, während von 99 Kindern des gleichen Alters, aus dem gleichen sozialen Milieu und der gleichen Umwelt stammend, während der gleichen Zeit 25% eine floride Rachitis aquirierten.

Anmerkung bei der Korrektur. Inzwischen ist in der M. m. W. Nr. 34 der erwartete Bericht aus der Universitäts-Kinderklinik München von Hentschel und Roskowski erschienen, der von unseren und allen bisher berichteten Resultaten in dem Sinne abweicht, daß eine antirachitische Wirkung der in München bestrahlten Frischmilch am Menschen nicht nachweisbar war. Die Autoren sprechen auf Grund ihrer klinischen und vor allem auf Grund quantitativ chemischer Untersuchungen, die freilich reichlich mit Hilfshypothesen gestützt sind, der Milch schlechthin eine antirachitische Aktivierbarkeit ab, weil in ihr zu wenig aktivierbares Ergosterin enthalten sei. Im Hinblick auf die entgegengesetzten praktischen Erfahrungen einer ganzen Reihe inländischer und ausländischer Autoren könnten die Münchener Befunde bestenfalls für die Münchener Milch in Anspruch genommen werden. Zusammenhänge zwischen Kuhfütterung und Ergosteringehalt müssen sicher bestehen.

Schwer verständlich erscheint eine Angabe der genannten Autoren, die sich ebenfalls in extremen Widerspruch mit allen anderen wissenschaftlichen und praktischen Erfahrungen setzt (Tab. 6 S. 1428): 0,25 ccm bestrahlte Milch heilen die Rattenrachitis, ohne irgendwelche prophylaktischen Eigenschaften zu entfalten. œ Liter Milch müßte demnach zum mindesten 1000–2000 therapeutische Rattendosen enthalten. Vom Vigantol werden letzt 1000–2000 prophylaktische Rattendosen für die menschliche Therapie und 500–1000 für die Prophylaxe angegeben. An Rattenversuchen standardisiert, müßte also œ Liter Münchener Frischmilch der üblichen therapeutischen Vigantoldosis entsprechen.

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