Dtsch Med Wochenschr 2003; 128(24): 1338-1341
DOI: 10.1055/s-2003-867092
Originalien
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Ärzteschaft gegen Anglisierung in der Medizin

Ergebnisse einer UmfrageGerman physicians against anglicization in medicineA questionnaire studyW. Haße, R.-J Fischer
Further Information

Publication History

eingereicht: 9.12.2002

akzeptiert: 27.2.2003

Publication Date:
30 March 2005 (online)

Zusammenfassung

Hintergrund und Fragestellung: Die zunehmende Anglisierung der deutschen Sprache betrifft insbesondere auch die Medizin. Das gilt nicht nur für die medizinische Forschung, sondern auch für Kongresse und Publikationsorgane. Hieraus ergeben sich weitreichende Konsequenzen auch für die medizinische Fortbildung. In dieser Untersuchung soll ein Meinungsbild der Ärzteschaft zum Thema Kongress- und Publikationssprache gewonnen werden.

Methodik: Anlässlich des 51. Deutschen Ärztetages im Juni 2002 in Berlin wurden 365 Fragebogen an die Besucher ausgegeben. Zusätzlich wurden 345 Fragebögen an 3 Universitätskliniken, 27 Kliniken akademischer Lehrkrankenhäuser und 9 kommunale Kliniken (alte Bundesländer 24, neue Bundesländer 15) versandt. Die Auswertung erfolgte nach Gruppenzugehörigkeit (Kliniker oder Nichtkliniker) und nach Altersgruppen.

Ergebnisse: Die Rücklaufquote betrug 51,1 % (188 Nichtkliniker und 172 Kliniker). Sichere englische Sprachkenntnisse in Wort und Schrift wurden von 20 % der Teilnehmer angegeben. Rein englischsprachige inländische Fachzeitschriften lehnen 84,7 % der Befragten ab. Für nationale Tagung fordern 98,3 % der Ärzteschaft die Landessprache als Kongresssprache (Ausnahme: ausländische Gäste), und auf internationalen Kongressen in Deutschland sollten Deutsch und Englisch die Vortrags- und Diskussionssprachen sein (84,3 %). Die Ablehnung inländischer Fachzeitschriften auf Englisch war bei den jüngeren Befragten schwächer. Bei den anderen Ergebnissen war keine Altersabhängigkeit nachweisbar.

Folgerungen: Auf nationalen Tagungen und in inländischen Zeitschriften deutscher Verlage fordert die befragte Ärzteschaft die Landessprache als Selbstverständlichkeit ein, Ausnahmen sind möglich. Im Rahmen internationaler Tagungen sind Deutsch und Englisch als gleichwertige Kongresssprachen gefragt, um zu verhindern, dass ein erheblicher Teil der interessierten inländischen Ärzteschaft durch alleinige Anwendung des Englischen bei der Information über neue wissenschaftliche Erkenntnisse beeinträchtigt wird.

Summary

Background and objective: The growing anglicization of the German language especially affects medicine. This is true not only in medical research but also for congresses and publications. This leads to far-reaching consequences also for continuing medical education. This questionnaire study obtained the opinions by a selected group of doctors attending a general medical congress.

Methods: Questionnaires were distributed to 365 attendees of the 51. Doctors’ Congress in Berlin in June 2002. In addition 345 questionnaires were sent to doctors working at 3 university clinics, 27 clinics at teaching hospitals and 9 at communal clinics throughout Germany. Answers were divided by work place (clinical or non-clinical) and age.

Results: There were 360 respondents (188 non-clinical, 172 clinical; 51.1%): 20% reported good self appraised knowledge of written and spoken English. 84.7% were against English as the only language at meetings of German medical societies, while 98.3% were against it for national congresses (except for foreign guests). 84.3% agreed that German and English should be the languages, both of talks and discussions, at international congresses held in Germany. English as the language of specialist journals was less strongly rejected by young respondents. There was no age-related difference regarding the other questions.

Conclusions: The respondents considered it as self-evident that German be the only language at German national congresses and of journals by German publishers directed at German doctors, but certain exception were acceptable. At international congresses held in Germany, both German and English are equally acceptable in order to avoid a large part of the interested German medical community being disadvantaged in their acquisition of medical-scientific information were English to be the sole language.

Literatur

  • 1 Stellungnahme zur Debatte über den zunehmenden Einfluss des Englischen auf die deutsche Sprache Berlin 12.02.2002. Deutsche Akademie f. Sprache u. Dichtung www.deutscheakademie.de
  • 2 Ehlich K. Postnationale Perspektiven für nationale Sprachen,. Vortrag Germanistentagung Erlangen 2001
  • 3 Finzen A, Hoffmann-Richter U, Dittmann V, Haug H J. Deutsch lesen-Englisch schreiben. Fachzeitschriften zwischen Science Citation Index und Nulltarif.  Psychiatr Prax. 1996;  23 1-3
  • 4 Haller U, Hepp H, Reinold E. Tötet der < Impact Factor > die deutsche Sprache? (Editorial).  Gynäkol Geburtshilfl Rundsch. 1997;  37 117-118
  • 5 Haße W, Fischer R. Englisch in der Medizin.  Dtsch Ärztebl. 2001;  47 A3100-3102
  • 6 Haße W, Fischer R. Ärzte gegen Anglisierung in der Medizin.  Chir Allg (CHAZ). 2002;  3 89-92
  • 7 Heinecke A, Hultsch E, Repges R. Medizinische Biometrie. Biomathematik und Statistik. Springer Verlag Belin, New-York 1992
  • 8 Herfarth C, Schürmann G. Deutsche klinische Zeitschriften und der Impact Factor.  Der Chirurg. 1996;  67 297-299
  • 9 Kindermann G. Hat Deutsch noch Zukunft als Wissenschaftssprache?.  Z Geburtsh Frauenheilkd. 1999;  5 188-191
  • 10 Lippert H. Rückzug der deutschen Sprache aus der Medizin.  Med Klin. 1978;  73 487-496
  • 11 Navarro F A. Englisch oder Deutsch? Die Sprache der Medizin aufgrund der in der deutschen Medizinischen Wochenschrift erschienenen Literaturangaben (1920 - 1995).  Dtsch Med Wochenschr. 1996;  121 1561-1566
  • 12 Middeke M. Autoren mit Umlaut im Namen sind benachteiligt.  Dtsch Med Wochenschr. 2002;  127 129-130
  • 13 Simonis U E. Zur Debatte: Deutsch als Wissenschaftssprache.  Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) Mitteilungen. 2001;  94 47
  • 14 Skudlik S. Sprachen in den Wissenschaften, Deutsch und Englisch in der internationalen Kommunikation. Forum f. Fachsprachenforschung Gunter Narr Verlag Tübingen 1990: 304
  • 15 Stickel G. Zur Debatte: Deutsch als Wissenschaftssprache. Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) P01 - 003 2001: 19-26
  • 16 Weinrich H. Interview SWR 2:. www.swr2,de/interview/manuskriptdienst/rtf/iw010902.rtf
  • 17 Winkmann G, Schlutius S, Schweim H G. Publikationssprachen der Impact Factor-Zeitschriften und medizinischer Literaturdatenbanken.  Dtsch Med Wochenschr. 2002;  127 138-143
  • 18 Winkmann G, Schlutius S, Schweim H G. Wie häufig werden deutschsprachige Medizinzeitschriften in der englischsprachigen Literatur zitiert?.  Dtsch Med Wochenschr. 2002;  127 138-143

Prof. Dr. med. Wolfgang Haße

Eitel-Fritz-Str. 35

14129 Berlin

    >