Dtsch Med Wochenschr 2003; 128: 110-112
DOI: 10.1055/s-2003-40163
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Kann eine adjuvante Chemotherapie die Prognose des Magenkarzinoms verbessern?

Is there an indication for adjuvant chemotherapy in gastric cancer?T. Südhoff1 , W. Schmiegel1
  • 1Ruhr-Universität Bochum, Medizinsche Universitätsklinik, Knappschaftskrankenhaus
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eingereicht: 11.2.2003

akzeptiert: 19.3.2003

Publication Date:
20 June 2003 (online)

Epidemiologische Untersuchungen zeigten im Verlauf des letzten Jahrhunderts für westliche Industrieländer einen deutlichen Abfall der Mortalität des Magenkarzinoms. So sank beispielsweise die tumorbedingte Sterblichkeit bei amerikanischen Männern von 30/100 000 (1935) auf 8/100 000 (1983). Dieser Effekt ist aber keineswegs auf Fortschritte in der Behandlung zurückzuführen, sondern spiegelt die signifikant rückläufige Inzidenz des distalen Magenkarzinoms wider. Nach Schätzungen des Statistischen Bundesamtes lag die Inzidenz des Magenkarzinoms in Deutschland 1998 bei ca. 18 500 Fällen. Damit lag das Magenkarzinom hinter den kolorektalen Karzinomen auf Platz 2 der gastrointestinalen Karzinome (Abb. [1]). Eine Übersicht über die gültige TNM- und UICC-Klassifikation gibt die Tab. [1].

Aufgrund des endemischen Vorkommens des Magenkarzinoms wurde in Japan ein Massenscreeening eingeführt. Als Folge werden in Japan ca. 50 % der Magentumore als Frühkarzinome (T1) mit sehr günstiger Langzeitprognose diagnostiziert. Im Gegensatz dazu haben in den westlichen Industrieländern etwa 60 % aller Magenkarzinome bei Erstdiagnose die Serosa bereits infiltriert, bei 57-63 % der resezierten Magenkarzinome finden sich bereits Lymphknotenmetastasen.

Die einzige potenziell kurative Behandlungsoption für lokalisierte Tumoren in Stadien UICC ≥ II ist die komplette chirurgische Resektion. Standardoperationen sind die totale/subtotale, bei proximalen Tumoren die erweiterte Gastrektomie. Zur exakten Festlegung der N-Kategorie in der TMN-Klassifikation müssen mindestens 15 Lymphknoten entnommen werden. Bezüglich des Ausmaßes der erforderlichen Lymphknotenresektion liegen widersprüchliche Daten vor. So ist der Stellenwert der erweiterten Lymphadenektomie (D2) im Vergleich zur D1-Resektion umstritten. In 2 großen europäischen Studien konnte durch D2-Resektion kein Überlebensvorteil erzielt werden [2] [4]. Unter Belassung von Pankreas und Milz stellt die D2-Resektion in geübter Hand allerdings eine sichere Intervention dar und erbrachte für Patienten mit den Tumorstadien pT2N1 und pT3N0 einen Überlebensvorteil im Vergleich zur D1-Resektion [3]. Dieser Einschätzung schloss sich auch die Arbeitsgruppe „Magenkarzinom” der Deutschen Krebsgesellschaft an und empfiehlt die D2-Resektion als Standardvorgehen in den Leitlinien 2002.

Für Patienten mit R0-Resektion stellt das Stadium der lokalen Tumorausbreitung mit Lymphknotenstatus den wichtigsten Prognosefaktor dar [11]. Die Tab. [2] zeigt im Vergleich das postoperative Überleben in zwei größeren amerikanischen und deutschen Untersuchungen mit mindestens 15 entnommenen Lymphknoten. Zwar zeigen die deutschen Ergebnisse (vorwiegend D2-Resektion) im Vergleich bessere Resultate, dennoch liegt die Heilungsrate bei Nachweis von Lymphknotenmetastasen und/oder Serosa-Infiltration (UICC ≥ II) bei nur 20 - 30 %.

Tab. 1 TNM-Klassifikation (2002) des Magenkarzinoms mit UICC-Stadiengruppierung. T Primärtumor TX Primärtumor kann nicht beurteilt werden T0 Kein Anhalt für Primärtumor Tis Carcinoma in situ: intraepithelialer Tumor ohne Infiltration der Lamina propria T1 Tumor infiltriert Lamina propria oder Submukosa T2 Tumor infiltriert Muscularis propria oder Subserosa T2a Tumor infiltriert Muscularis propria T2b Tumor infiltriert Subserosa T3 Tumor penetriert Serosa (viszerales Peritoneum), ohne Infiltration benachbarter Strukturen T4 Tumor infiltriert benachbarte Strukturen N Regionäre Lymphknoten NX Regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden N0 Keine regionären Lymphknotenmetastasen N1 Metastasen in 1 - 6 regionären Lymphknoten N2 Metastasen in 7 - 15 regionären Lymphknoten N3 Metastasen in > 15 regionären Lymphknoten M Fernmetastasen MX Fernmetastasen können nicht beurteilt werden M0 Keine Fernmetastasen M1 Fernmetastasen Stadiengruppierung (UICC 2 002) Stadium 0 Tis N0 M0 Stadium IA T1 N0 M0 Stadium IB T1 N1 M0 T2a/b N0 M0 Stadium II T1 N2 M0 T2a/b N1 M0 T3 N0 M0 Stadium IIIA T2a/b N2 M0 T3 N1 M0 T4 N0 M0 Stadium IIIB T3 N2 M0 Stadium IV T1-3 N3 M0 T4 N1-3 M0 jedes T jedes N M1

Das Magenkarzinom ist ein chemosensitiver Tumor. Durch Polychemotherapien werden in der palliativen Situation signifikante Verlängerungen des medianen Überlebens bei Stabilisierung der Lebensqualität erzielt. In Anbetracht der enttäuschenden postoperativen Überlebensdaten wurden daher seit den sechziger Jahren zahlreiche Studien zur adjuvanten Chemotherapie unternommen. Pathophysiologische Rationale war dabei eine Verbesserung des Überlebens durch Eradikation von Mikrometastasen.

Abb. 1 Häufigkeit von gastrointestinalen Tumoren nach Angaben des Statistischen Bundesamtes.

kurzgefasst: Die Mehrzahl der Magenkarzinome in Deutschland werden nach wie vor in fortgeschrittenen Tumorstadien diagnostiziert. Auch nach R0-Resektion haben diese Patienten ein hohes Rezidivrisiko (60-70 %).

Literatur

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Priv.-Doz. Dr. med. Thomas Südhoff

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